Willkommen in Venedig!

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Batticaloa, die mit fast 100.000 Einwohnern nach Trincomalee zweitgrößte Hafenstadt an der Ostküste Sri Lankas braucht einen Vergleich mit der italienischen Lagunenstadt nicht zu scheuen. „Batti“ liegt herrlich vom Wasser umgeben auf einem Landvorsprung, der im Osten vom Meer und im Süden und Westen von einer idyllischen Salzwasserlagune begrenzt wird. Vom Norden bei Eravur bis zu den Ausläufern im Süden bei Kalmunai misst sie ca. 54 km und ist somit Sri Lankas längste, wenngleich auch flächenmäßig nicht größte Lagune. Diese Lage erlaubte es der LTTE, die Stadt während des Bürgerkriegs lange in ihrem Besitz zu halten. Die Bevölkerung von Batticaloa ist eine interessante Mischung aus Hindus, Moslems und Christen. In der Umgebung werden vornehmlich Reis und Kokosnüsse angebaut. Ebenfalls von Bedeutung ist die Viehwirtschaft.
Touristisch ist Batticaloa, sieht man von der traumhaften Lage an einem der Zugänge der Lagune zum Ozean ab, nicht gerade von großem Interesse. Eine touristische Infrastruktur mit westlichem Standard ist praktisch nicht vorhanden, weiße Touristen sind eher selten zu sehen. Wer sich aber Zeit nimmt um die Stadt und seine Bewohner zu erkunden, kann in Batticaloa und Umgebung einige entspannte und auch spannende Tage verbringen.
Sehenswert ist das nahe der Lagune gelegene malerische Fort, das 1628 von den Portugiesen erbaut und 1638 von den Holländern übernommen wurde, zahlreiche sehenswerte Hindu-Tempel und nicht zuletzt einige traumhafte, menschenleere Strände, die zu einem Ausflug einladen.

Batticaloas berühmteste Attraktion aber sind die „Singenden Fische“ in der Lagune, wahrscheinlich eine Art Schellfisch, die vor allem in den Monaten von April bis September ein bemerkenswertes, „singendes“ Geräusch von sich geben sollen. Am lautesten schallt es in Vollmondnächten. Böse Zungen behaupten allerdings man habe die Existenz dieser in der Lagune schwimmenden Musikanten einfach frei erfunden, um den offensichtlichen Mangel an anderen Attraktionen in der Stadt zu überspielen. Tatsächlich konnte man die Existenz der „Singenden Fische“ bis heute nicht nachweisen und doch werden sie in einigen wissenschaftlichen Enzyklopädien erwähnt. Am besten lauschen kann man ihren feinen Klängen, in manch einem literarischen Werk wird gar von Melodien berichtet, in mondhellen Nächten bei ruhigem Seegang. Dazu miete man von einem Fischer ein Boot (ca. 200 Rs.) und fahre hinaus auf die Lagune unter die Mitte der Kallady-Bridge, nehme ein Paddel, tauche dieses ins Wasser und halte das andere Ende ans Ohr. Der vorherige Genuss von Arrack soll sich zudem positiv auf das musikalische Erlebnis auswirken.
Tatsächlich zu vernehmen sind zu den genannten Jahreszeiten monotone Klänge, vermutlich Ortungssignale von Katzenfischen oder über Meeresströmungen an Schalen von Muscheln, die hier massenhaft auf dem Grund der Lagune liegen, erzeugt. Romantiker mögen da die Theorie der „Singenden Fische“ bevorzugen. Das ist allemal aufregender als Phänomenen wie Außerirdischen in unbekannten Flugobjekten oder Seeungeheuern in den verregneten schottischen Highlands aufzulauern.

Geschichte

Der Name Batticaloa ist eine portugiesische Ableitung des tamilischen Maddakalappu, was so viel heißt wie „sumpfige Lagune“. Indische Tamilen hatten sich in dieser Region Sri Lankas schon früh angesiedelt. Die Mukkuvars, eine südindische Kaste von Fischern aus der südöstlichen Region des Subkontinents – dem heutigen indischen Bundesstaat Tamil Nadu – emigrierten vermutlich schon weit vor der ersten singhalesischen Einwanderung in diesen Winkel der Insel nach Kerala, die Gegend um Batticaloa und Lakshadweep (dem heutigen indischen Unionsterritorium der Lakkadiven, Amindiven und der Insel Minicoy). Genau datieren lässt sich diese Völkerwanderung heute nicht, sie fand aber vermutlich in mehreren Etappen über das Meer bereits ab500 v. Chr. statt. Die Ostküste Sri Lankas um Batticaloa lag zu der Zeit nicht im Machtbereich der Könige Anuradhapuras. Auch viel später, nach dem Untergang Polonnaruwas, erfolgten weitere Zuwanderungen von Tamilen in die Landstriche um Batticaloa. Die singhalesische Zivilisation verlagerte sich mehr und mehr in den Westen Sri Lankas. Die nördlichen und östlichen Gebiete entzogen sich jeglichem singhalesischen Einfluss. Die seit mehreren Jahrhunderten eingewanderten Tamilen konzentrierten sich auf ihre eigene Kultur, mussten sich nicht mehr in die Gesellschaft der Singhalesen integrieren und blieben auch mit ihrer eigenen Sprache unter sich – bis heute.
Die ersten Europäer in Batticaloa waren erstaunlicherweiseab 1602 die Niederländer unter Kommando des späteren Weltumseglers Joris van Spilbergen. Die Portugiesen, die schon ein Jahrhundert vorher 1505 unter Admiral Lorenzo d’Almeida in Colombo an Land gingen, beherrschten die für ihren Handel wichtigen westlichen Küsten zwischen Puttalam und Matara. Dennoch waren sie in der Lage Steuern im zum Königreich Kandy gehörenden Batticaloa einzutreiben.
Zur Zeit der Ankunft der Niederländer flohen immer noch viele Muslime aus den westlichen Regionen Sri Lankas vor fanatischen christlichen Portugiesen in den Osten der Insel und wurden auch bereits vom Kandy-König Rajasinha I. (reg. 1587–1597) in Batticaloa angesiedelt. Hier konnten sie ihrem Handel und ihren Geschäften nachgehen. 1628 zog es dann auch die islamfeindlichen Portugiesen in den Osten der Insel und nach Batticaloa und sie konnten die Stadt für sich gewinnen. Die Singhalesen unter König Rajasinha II erweiterten darauf hin ihre militärischen Aktivitäten gegen die verhassten Südeuropäer und konnten mit Hilfe der Niederländer unter Admiral Coster 1638, der mit mehreren Schiffen von Goa nach Batticaloa segelte, die Stadt zurückgewinnen. Wenig später übernahmen die Holländer unter dem Vorwand singhalesischer „Kriegsschulden“ dann aber selbst die Macht. 1795 mussten sie sich den Briten nach einer mehrwöchigen Schlacht ergeben, die Batticaloa während ihrer Kolonialzeit vorrangig alsVerwaltungszentrum nutzten. Als Hafenstadt für die Flotte der Briten war das nördliche Trincomalee von mehr Bedeutung.
Im Frühling 1942 wurden bei Luftschlägen der Japaner auch die britischen Kriegsschiffe im Hafen Batticaloas versenkt. Aus Angst vor einer japanischen Invasion und Berichten der japanischen Massaker, Hinrichtungen, Vergewaltigungen und weiteren Kriegsverbrechen an hunderttausenden Zivilisten im chinesischen Nanjing (Nanjing Massaker), kam es zur landesweiten Panik in der ceylonesischen Bevölkerung und zu Massenfluchten nach Indien.
Traurige Berühmtheit erlangte Batticaloa 1958: Bei den landesweiten Unruhen und Massakern gegen Tamilen im Mai mit vermutlich mehr als 300 Toten war die Stadt ein Zentrum der Gewalt. Blutige Auseinandersetzungen gab es in den folgenden Jahren immer wieder in Batticaloa. Neben Streitereien zwischenTamilen und den in der Region Batticaloa relativ stark vertretenen Singhalesen kam es auch immer wieder zu Anfeindungen zwischen Muslimen und Hindus. Der verheerende Zyklon vom 23. November 1978 verwüstete die geschundene Region Batticaloa zusätzlich.
Nach dem „Schwarzen Juli 1983“ und dem Ausbruch des Bürgerkriegs wurde der Ruf nach einem „Tamil Eelam“, einem separaten tamilischen Staat, immer lauter. In den von Tamilen dominierten Nord- und Ostregionen begann ein blutiger Guerilla-Krieg gegen die Armee und die Regierung. Der LTTE gelang es weite Teile der Ostküste und auch Batticaloa unter ihre Kontrolle zu bringen. Neben Jaffna war Batticaloa die zweite Hochburg der LTTE. Der Uhrturm im Stadtzentrum zeugt noch heute von dieser Zeit und geht auf ein Denkmal der LTTE zurück. Regelmäßige Massaker an Singhalesen waren in diesen Jahren in Batticaloa an der Tagesordnung.
Erst 1991 konnten die Truppen der Regierung nach einem überraschenden Angriff Batticaloa zurückerobern. Es entbrannte ein Guerillakrieg im Umland mit unregelmäßigen Attentaten, Terror- und Bombenanschlägen auf Märkte in der Stadt. Viele christliche tamilische Familien verließen Batticaloa in diesen Jahren oder schickten zumindest ihre Kinder zu Verwandten in den sicheren westlichen Teil Sri Lankas.
Bei den schweren Unwettern und Überschwemmungen an der Ostküste im Januar 2011 war Batticaloa besonders stark betroffen.

Sehenswertes

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Batticaloa ist aufgrund der natürlichen Grenzen durch Wasser in mehrere Stadtteile gegliedert. Wer aus südlicher Richtung über Kalmunai anreist, kommt zunächst durch Kallady und weiter über die in Ost-West-Richtung verlaufende „Kallady-Bridge“ nach Koddamunai. Hier befindet sich die Batticaloa Railway Station. Weiter in südliche Richtung geht es über die Koddamunai-Bridge in das eigentliche Stadtzentrum, die in der Lagune gelegene Insel Pullianthivu mit zahlreichen Geschäften, Banken, Bürogebäuden und dem neuen Busbahnhof an der hier nördlich verlaufenden Munai Street. Im Nordosten Pullianthivus liegt direkt am Wasser das 1628 ursprünglich von den Portugiesen errichtete Dutch Fort mit seinen gewaltigen 6 m starken Mauern und Bastionen. Zu Kriegszeiten, nach der Rückeroberung Batticaloas 1991 durch die Regierungstruppen, hatte hier eine Brigade der Armee ihr Hauptquartier eingerichtet. Besichtigungen und Fotografieren waren rund um diese Hochsicherheitszone strikt verboten. Heute kann man zwischen den recht gut erhaltenen Gemäuern und Ozean gerade an der Ostseite herrlich herumspazieren und findet am Eingang dieser Seite zwei alte, allerdings ziemlich verwahrloste, Kanonen der Niederländer. Das Innere mit seinen Verwaltungsgebäuden aus jüngeren Jahren ist wenig interessant; zu finden sind lediglich noch Reste einer Dagoba aus dem 2. Jh. v. Chr., die auf König Kavan Tissa des Königreichs von Ruhuna zurückgehen soll. Die Steintafel mit der Inschrift der Dutch East India Company „1707 VOC“ (Verenigde Oost-Indische Compagnie), die lange über dem Eingangstor hing, ist heute auf einem Stuhl im Bürogebäude gegenüber zu sehen.

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Ein Blick lohnt auf die mehr als 200 Jahe alte türkisfarbene St. Mary’s Cathedral (www.stmaryscathedralbatti.org) und die in der Nähe liegende St. Anthony’s Church. Nach ihrer teilweisen Zerstörung wurde die St. Mary’s Cathedral 1994 wiederaufgebaut.


St. Mary’s Cathedral - 2014











Das wichtigste Heiligtum der Hindus in Batticaloa ist der Ganesha geweihte an einem kleinen See gelegene Sri Mamanga Pillaiyar Kovil 2 km nördlich vom Stadtzentrum und seinem von weitem sichtbaren mit hunderten Götterfiguren besetztem Gopuram. Ein wenig nach Indien versetzt fühlt man sich nicht zuletzt durch die zum See führenden Ghats, die zum Wasser führenden Treppenstufen, die man auch an Indiens Flüssen findet. Das bekannteste Beispiel ist die heilige Stadt Varanasi am Ganges. Zum mehrtägigen Tempelfest (meistens Ende Juli, Anfang August) strömen zehntausende Gläubige zum Kovil, Touristen verirren sich auch dann nur selten hierher.

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Der Skanda (auch Murugan) geweihte Tiruchendur Murugan Alayam Kovil in Kallady wurde erst 1984 als Rastpunkt für die Teilnehmer der Pada Yatra, der traditionellen 400 km langen 45-tägigen Pilgerreise von Jaffna nach Kataragama erbaut. Der in Strandnähe gelegene Tempel wurde vom Tsunami stark beschädigt und sein Gopuram steht noch heute in einer bedrohlichen Neigung recht schief im Wind. Glaubt man den Erzählungen, soll Murugan seine Augen geöffnet haben, bevor der Maler sein Werk vollenden konnte.
Der einzige buddhistische Tempel Sri Mangalarama Vihara in Batticaloa wurde zu Kriegszeiten stark durch Bombenangriffe beschädigt und später neu aufgebaut. Außer einer sehr fotogenen weißen Dagoba gibt es nicht viel sehen, doch man findet hier eine angenehme Ruhe.
Ein sehr schöner Ausflug, der auch sehr gut mit einem geliehenen Fahrrad unternommen werden kann, führt zum Leuchtturm ca. 5 km nördlich des Stadtzentrums an der Bar Road bei Palameenmadu. Wer schwindelfrei ist, kann den 28 m hohen Turm aus dem Jahr 1913 über eine Reihe von Leitern in seinem Inneren besteigen und genießt von oben atemberaubende Ausblicke in die Umgebung*. Zudem kann man auf Bootstouren die Lagunenlandschaft und die Vogelwelt der Ostküste erkunden.

*2017: Der Leuchtturm von Batticaloa darf zurzeit aus Sicherheitsgründen nicht mehr bestiegen werden!