Die Tsunami-Wunden heilen nur sehr langsam

Biggi

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ST-Redakteur Christian Beier berichtet vor Ort von den Arbeiten der Hilfsprojekte, die im Rahmen der Aktion "Solingen hilft Sri Lanka" unterstützt wurden.




Eine Delegation von Tsunami-Helfern macht sich in einem Kleinbus auf den Weg in den Süden. Ein Hausbauprojekt in Balapitiya, 90 Kilometer südlich von Colombo, ist das Ziel. Architekt Dinesh Thalpawela (34) und Ursula Beier (63) von der "Universal Society for Peace and Love" nutzen die lange Fahrzeit, um Baupläne durchzusprechen. Die Hauptverbindungsstraße entlang der Küste in den Süden von Sri Lanka ist mittlerweile wieder gut ausgebaut.

Die im Dezember total zerstörte Eisenbahnlinie begleitet die Reisenden entlang der Galle-Road. Sie wurde bis Matara mit japanischem Geld und vielen freiwilligen Helfern wieder aufgebaut. Nur vereinzelt ragen noch alte Gleisstücke verdreht in die Höhe.

Die Normalität scheint wieder eingekehrt zu sein. Doch in Beruwala, kurz vor dem Badeort Bentota, sind deutliche Spuren der gigantischen Tsunami-Welle erkennbar. Schwere Fischerboote ruhen mehrere hundert Meter entfernt vom Wasser auf dem Trockenen. Sie liegen dort wie vergessenes Kinderspielzeug.

Eine Gruppe von Jungen spielt hier Fußball. An den Strand gehen die Kinder nicht mehr gerne. Vor dem sonst so vertrauten Meer haben sie große Angst bekommen. Viele Fischer aus dem Dorf wollen ihrem Beruf nicht mehr nachgehen, berichten die Kinder.

Je weiter die Fahrt in den Süden geht, desto verheerender wird das Bild. Ganze Dörfer wurden von den Wassermassen ausgelöscht. Eine Ruine nach der anderen säumt den Straßenrand. Es lässt sich leicht erahnen, welche Schicksale mit diesem Bild verbunden sind. An der Nord- und Ostküste sieht es wohl noch schlimmer aus. Diese Gebiete sind durch die ethnischen Konflikte zwischen Tamilen und Singhalesen für die Hilfsorganisationen weiterhin schwer zugängig.

Die Regierung Sri Lankas hat jetzt definitiv eine Wohn-Sperrzone am Strand erklärt. Innerhalb von hundert Metern dürfen weder zerstörte Häuser neu aufgebaut, noch dürfen bestehende oder reparaturbedürftige Häuser weiter bewohnt werden. Ob die erklärte Zone im Notfall ausreichend ist, ist fraglich. Teilweise bis zu fünf Kilometer ins Landesinnere ist das Meerwasser beim Tsunami vorgedrungen.

Nun entstehen langsam in vermeintlich sicherer Entfernung neue Dörfer. Die Regierung hat den am Aufbau beteiligten Hilfsorganisationen die Größe der neuen Behausungen vorgegeben. Richtig günstig kann nun nicht mehr gebaut werden. Die Preise des dringend benötigten Baumaterials haben sich verdreifacht.

Der Kleinbus mit Ursula Beier und ihren Helfern ist nach dreistündiger Fahrzeit in Balapitiya angekommen. Der Wagen fährt über eine kleine Nebenstraße auf ein riesiges Grundstück. Mit Zement beladene Lastwagen suchen sich ihren Weg durch die Rohbauten von 51 Häusern. Seit zwei Monaten wird hier mit Hochdruck gearbeitet. Ein Großteil der Häuser wird zur Reduzierung der Kosten in Doppelbauweise erstellt. Etwa 200 Menschen werden hier ihr neues Zuhause finden. Die Gesamtkosten des Projektes belaufen sich auf etwa 290 000 Euro. Im Zentrum der Siedlung wird es einen Shop mit Lebensmitteln, eine Computerschule und einen Kindergarten geben. Eine angrenzende bestehende Multifunktionshalle wird saniert und in das Dorfleben integriert.

Die Partnerorganisation bei diesem Vorhaben ist der "Kalutara Bodhi Trust". Vorsitzender Ajith De Soysa bespricht vor Ort mit Ursula Beier das weitere Vorgehen. Mit ihnen sitzt im Schatten eines Baumes Architekt Dinesh Thalpawela. Er ist mit dem Fortschreiten der Arbeiten sehr zufrieden. Dinesh ist sich sicher, dass noch vor dem Jahrestag des Tsunamis die Häuser bezugsfertig sein werden. "Die Arbeit für die betroffenen Menschen gibt mir tiefe Befriedigung. Mein Geld verdiene ich woanders", sagt der Vater von zwei Kindern. Während er die Baustelle weiter besichtigt und mit dem Bauleiter spricht, klingelt sein Handy pausenlos. In Sri Lanka wird eben derzeit viel gebaut.



Von Christian Beier

http://www.solinger-tageblatt.de/sro.php?redid=90505
 
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