Mo, 19. Juni 2006

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Konfliktparteien auf Sri Lanka verschärfen ihre Angriffe
Tamilische Rebellen und Regierungstruppen überziehen das Land mit tödlichen Gefechten und Anschlägen

von Sophie Mühlmann

Singapur - Bei heftigen Kämpfen zu Wasser und zu Lande und bei neuen Anschlägen sind in Sri Lanka Dutzende Menschen getötet worden. Die südasiatische Insel, so befürchten Beobachter, droht erneut in einen blutigen Bürgerkrieg abzugleiten. Die Gewalt zwischen den Separatisten und der Regierungsarmee ist in den vergangenen Wochen zunehmend eskaliert - und wie schon in den über 20 Jahren Bürgerkrieg gerieten auch jetzt wieder zahlreiche Zivilisten zwischen die Fronten. Allein in diesem Jahr sind bereits über 700 Menschen umgekommen.

Gestern wurden bei der Explosion einer offenbar ferngezündeten Landmine im Norden Sri Lankas drei Polizisten ermordet, die in der Nähe der Stadt Vavuniya in einem Wassertankwagen unterwegs waren und in einen Hinterhalt gerieten. Die Polizei machte die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) für das Attentat verantwortlich.

Am Samstag hatten sich die Tamilen-Rebellen auf hoher See vor der Nordwestküste der Insel schwere Kämpfe mit der Marine geliefert. Über 40 Tote wurden von den Behörden gemeldet, davon mindestens 30 Rebellen. Mit elf Booten hätten die Separatisten zwei Marine-Dinghis auf einer Routinepatrouille attackiert, so Sri Lankas stellvertretender Admiral Wasantha Karannagoda. Außerdem gab es bei zwei weiteren Gefechten an Land mindestens sechs weitere Opfer und über 40 Verletzte. Rebellen sollen einen Marinestützpunkt im Nordwesten der Insel gestürmt haben. Augenzeugen berichteten später, daß Regierungssoldaten mit schwerer Artillerie eine Kirche beschossen haben sollen, in die sich Tamil Tiger geflüchtet hatten. Am Freitag waren bereits 64 Zivilisten einem Minenanschlag zum Opfer gefallen. Ein mit Arbeitern und Schulkindern vollbesetzter Bus war in der Ortschaft Kebettigollawa in die Luft geflogen. Die Rebellen leugneten jede Verantwortung für dieses Attentat, doch die Regierungstruppen antworteten dennoch mit Luftangriffen gegen die Hochburgen der LTTE im Norden und Osten der Insel.

Der stetige Blutrausch der letzten Wochen macht jede Hoffnung zunichte, daß Separatisten und Armee zu den Bedingungen des Waffenstillstands zurückkehren könnten, der 2002 mit großem Optimismus vereinbart worden war und den Bürgerkrieg auf Sri Lanka beendet hatte - für den Augenblick zumindest. Norwegen hatte sich damals als Vermittler stark gemacht und die beiden streitenden Parteien an einen Tisch gebracht.

Die Befreiungstiger kämpfen seit den siebziger Jahren um einen eigenen Staat im Norden und Osten der Insel. Hier leben die meisten der 3,2 Millionen hinduistischen Tamilen - eine Minderheit im überwiegend buddhistisch-singhalesischen Sri Lanka, die sich benachteiligt und diskriminiert fühlt. Ihr Kampf artete 1983 nach heftigen antitamilischen Aufständen zum Bürgerkrieg aus. Über 65 000 Menschen sind in den zwei Jahrzehnten bis zum Waffenstillstand vor vier Jahren gestorben.

Vielversprechende Friedensverhandlungen in Genf waren vor zwei Monaten abgesagt worden, weil die Anführer der LTTE die Regierung beschuldigten, ihre Versprechen gebrochen und Paramilitärs auf sie angesetzt zu haben. Die Befreiungstiger werden zwar in ihrer Heimatregion als Helden verehrt, doch hat die EU sie erst im vergangenen Monat als terroristische Vereinigung deklariert.

Artikel erschienen am Mo, 19. Juni 2006
 
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