"Regierung und Tamilen-Tiger führen einen sinnlosen Kri

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Sri Lanka
"Regierung und Tamilen-Tiger führen einen sinnlosen Krieg"
Ulf Henricsson, Leiter der Vermittlungsmission in Sri Lanka, beschuldigt beide Konfliktparteien brutaler Morde. Der EU wirft er taktische Fehler vor.

Kein Tag vergeht ohne neue Todesopfer des aufgeflammten Konfliktes in Sri Lanka. In Gefechten um die von Separatisten gehaltene Stadt Sampur wurden seit Montag 13 Soldaten getötet, meldet die Armee. Dutzende Rebellen kamen ums Leben. Die humanitäre Lage wird dramatischer, vor allem im Norden und Osten der Insel, wo die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) seit 1972 um Unabhängigkeit kämpfen. 200 000 Menschen sind auf der Flucht. Ausgerechnet jetzt muss die Sri Lanka Monitoring Mission (SLMM), die das Waffenstillstandsabkommen von 2002 im Auftrag der Konfliktparteien überwacht, ihre Beobachter von 56 auf 20 reduzieren. Die LTTE verlangt die Abreise der Mitglieder aus EU-Ländern, weil Brüssel die Tiger im Mai als Terrororganisation ächtete. Norwegen und Island bleiben. Der bisherige Leiter, Generalmajor Ulf Henricsson aus Schweden, muss wie Dänen und Finnen zum 1. September Koffer packen. Mit ihm sprach Kirstin Wenk.

Die Welt: Wie ist die Situation in Sri Lanka derzeit?

Ulf Henricsson: Regierung und LTTE suchen die sinnlose Konfrontation, die immer mehr Opfer fordert. Beide Seiten stellen unrealistische Forderungen. Die Wirtschaft geht den Bach herunter. Touristen bleiben weg. Flugzeuge nach Sri Lanka sind nur zu 30 Prozent ausgelastet. Die kriegsähnliche Situation vor allem im Norden auf der Halbinsel Jaffna und im Osten, in der Stadt Trincomalee, erschwert unsere Arbeit. Die Parteien verweigern uns Zugang zu Konfliktregionen. Wir bekommen nicht alle Informationen.

Welt: Wer ist für die Ermordung der 17 Mitarbeiter von "Aktion gegen den Hunger" verantwortlich?

Henricsson: Nach übereinstimmenden Informationen höchst zuverlässiger Quellen sind wir zu dem Schluss gekommen, dass die Regierungstruppen dafür verantwortlich sind. Das bedeutet eine schwere Verletzung des Waffenstillstandsabkommens.

Welt: Besteht das Waffenstillstandsabkommen noch?

Henricsson: Das ist eine sehr schwierige Frage. Das Abkommen besteht noch, schließlich hat es keine der beiden Seiten gekündigt. Aber in der Realität gibt es keinen Waffenstillstand. Ich bin dennoch überzeugt, dass beide Seiten bald wieder an einen Tisch kommen. Dafür brauchen wir ein neues Waffenstillstandsabkommen.

Welt: Warum sollten die Parteien bald wieder an einem Tisch sitzen?

Henricsson: Weil es keine Alternative gibt. Immer mehr Menschen sterben, aber keine Seite hat militärische Erfolge. Die internationale Gemeinschaft sollte jetzt den Druck auf beide Parteien erhöhen.

Welt: Nun müssen 22 Beobachter Sri Lanka verlassen. Die LTTE akzeptiert nicht länger EU-Staaten als Vermittler, weil Brüssel sie als Terrororganisation bezeichnet hat. War das ein Fehler?

Henricsson: Ja, das war keine weise Entscheidung. Die EU war zu radikal mit ihrem Verbot der LTTE. Die SLMM-Gruppe wird nun kleiner ausgerechnet zu einem Moment, in dem sie am meisten gebraucht wird. Brüssel sollte sich jetzt überlegen, wie die Lage wieder verbessert werden könnte.

Welt: Was schlagen Sie vor?

Henricsson: Wir brauchen dringend eine bessere Ausrüstung: Helme, schusssichere Westen und Autos. Wir sind zwar nicht das Hauptziel der Konfliktparteien, aber wir sind manchmal zur falschen Zeit am falschen Ort.

Welt: Warum bleibt die SLMM noch unter diesen Bedingungen?

Henricsson: Für die meisten Bürger hier macht es einen Unterschied, ob wir bleiben. Auch die Konfliktparteien wollen das. Wir glauben, dass dieses Land uns noch braucht.

Welt: Die Regierung hat zwei wichtigen Tamilenorganisationen die Zusammenarbeit angeboten. Ist das eine Chance für den Frieden?

Henricsson: Nein, es wird keinen Frieden ohne die LTTE geben. Die LTTE hat die militärische Macht. Sie hat einen sehr starken Führer, sie hat eine Idee. Es ist schwierig, eine Idee zu bekämpfen, wenn man keine eigene hat. Die LTTE wird weiterkämpfen, wenn sie von den Gesprächen ausgeschlossen wird.

Welt: Die LTTE hat sich gespalten. Die Karuna-Gruppe arbeitet nun mit der Regierung zusammen. Macht das die Lage einfacher?

Henricsson: Überhaupt nicht. Die LTTE fordert, dass die Karuna-Gruppe von den Gesprächen ausgeschlossen wird - ein Problem. Der einzige Lösungsweg ist, dass alle Seiten einbezogen werden.

Welt: Könnte Indien vermitteln?

Henricsson: Indien ist in die Verhandlungen involviert. Neu-Delhi unterstützt Norwegen. Oslo fällt keine Entscheidung, ohne Indien zu informieren. Zu viele Vermittler stiften nur viel Verwirrung.

Welt: Wann wird es Frieden geben?

Henricsson: Es wird eine Lösung geben. Manchmal braucht es dafür aber einige Jahrzehnte.

Artikel erschienen am Do, 31. August 2006
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