Jugendschutz.net oder Schindler's Liste

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| 13.06.06, 12:06 Uhr |von FOCUS-Redakteur Frank Fleschner

Jugendschützer forschen in den düsteren Abgründen des Internets und spüren die Betreiber von Porno-, Nazi- und Gewaltseiten auf.

Jugendschutz.net? Nie gehört.“ Die Studentin schüttelt den Kopf. Mit anderen Kommilitonen steht sie rauchend vor dem Gebäude in der Wallstraße, das von der Fachhochschule Mainz genutzt wird. Irgendwo hier sollen die Büros zu finden sein, in denen Spezialisten das Internet systematisch nach Gewaltszenen, Pornographie und Kindesmissbrauch durchforsten. Kein Klingelschild deutet darauf hin.
„Absicht“, sagt Friedemann Schindler, 52. Der Leiter von Jugendschutz.net und seine 14 Kollegen haben sich in der rechtsextremen Szene unbeliebt gemacht. 750 Nazi-Websites konnten sie seit 2001 stilllegen. Wütende Sympathisanten riefen in Foren dazu auf, bei diesen Typen mal vorbeizuschauen. Bislang ist nichts passiert.

Abgerissene Gliedmaßen, gequälte Folteropfer
Es sind die düsteren Abgründe des weltweiten Datennetzes, in die Schindlers Truppe täglich hinabtaucht. „Wer bei uns anfängt, muss durch den ‚Giftschrank‘“, erklärt Schindler. Und meint damit Web-Seiten, bei deren Anblick „man kotzen muss“: Menschen mit abgerissenen Gliedmaßen, sadistisch gequälte Folteropfer, Videoclips mit blutigen Schlägereien. Es gibt Bewerber, die danach den Job nicht mehr wollen.
Wer sich die Arbeit zutraut, ist meist älter als 25. Zeigt generell Engagement für Kinder und Jugendliche. Es sind Juristen, Medienwissenschaftler und Pädagogen. Schindler hat früher in der Heimerziehung gearbeitet.

Spezialermittler der Polizei
Die Fahnder stoßen auch auf Bilder von Kindern, die missbraucht werden. Jugendschutz.net sucht nicht ausschließlich danach, das machen Spezialermittler der Polizei. Aber manchmal erscheinen solche Fotos auf den Bildschirmen in Mainz. Dann geht es nicht mehr um Verstöße, es geht um Täter. Diese Informationen geben Schindlers Leute direkt weiter ans Bundeskriminalamt.

Zur Routinearbeit gehört, bei Google das Wort „anal“ einzugeben. Auf Seite zwei der Trefferliste wird die Mitarbeiterin fündig: Die Suchmaschine verweist auf eine deutsche Internet-Seite, die Bilder sind eindeutig. Laut Jugendschutzbestimmungen darf Pornographie im Internet nur in „geschlossenen Benutzergruppen“ stattfinden: Der Anbieter muss ein Identifikationsverfahren vorschalten, das Minderjährigen sicher den Zugang verwehrt.

Verbotener Schmuddelkram
Die ermittelte Website ist frei erreichbar. Die Fahnderin gibt die Adresse in eine Datenbank ein, die bereits 20 000 Einträge enthält. Der Betreiber wird eine Aufforderung bekommen, das Anklicken der Seiten nur denjenigen zu erlauben, die sich zuvor als Erwachsene identifizieren ließen. Reagiert er nicht, drohen ihm ein Verfahren und Bußgeld.
Verbotenen Schmuddelkram fand Jugendschutz.net im Jahr 2005 bei 1949 Web-Angeboten, das sind zwölf Prozent mehr neue Fälle als ein Jahr zuvor. 874 davon kamen aus Deutschland. In 65 Prozent der Fälle reagierten die Betreiber mehr oder weniger zügig und beseitigten die beanstandeten Inhalte.

Bilder realer Hinrichtungen
Lassen sich Pornos und Gewaltbilder allerdings von einem Server aus dem Ausland abrufen, funktioniert die Drohung mit deutschen Jugendschutzgesetzen nicht. Dann müssen Schindlers Leute informelle Kontakte spielen lassen: Im vergangenen Sommer erreichten sie, dass der Internet-Leitungsbetreiber Level3 einer US-Gewalt-Website den Transit durch seine Kabel nach Deutschland verweigerte. Kurz danach jedoch fand der Netzbeschmutzer für sein Sortiment realer Hinrichtungen und Folterszenen einen anderen digitalen Spediteur. Die Seiten sind wieder weltweit abrufbar.
Bei denjenigen, die Schindler vor Schmutz und Schund bewahren soll, kursieren die einschlägigen Web-Adressen auch ohne Suchmaschinen-Hilfe. Die heruntergeladenen Schocker-Videos laufen auf den Handys der Teenager, die sie auf dem Schulhof tauschen. Nach Studien von Medienwächtern hat jeder dritte Jugendliche Seiten angeklickt, die er nicht sehen dürfte.

Bußgelder gegen beanstandete Angebote
München-Neuperlach, Stabsstelle der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM). Hier landen die Fälle, bei denen Jugendschutz.net erfolglos blieb. 183 waren es im vergangenen Jahr. Auf dem PC-Bildschirm windet sich stöhnend eine nackte, gefesselte Frau. „Mein Mann ist eigentlich nicht einverstanden, dass ich mir so etwas anschaue“, sagt Verena Weigand, 49, Leiterin der Stabsstelle.
Sie und ihr kleines Team kümmern sich seit drei Jahren um den Jugendschutz im privaten Rundfunk und im Internet. Von April 2003 bis Anfang Mai dieses Jahres hatte die KJM „mehr als 100 Fälle abschließend bewertet“. Bei fast allen davon wurden Jugendschutzverstöße festgestellt, meist waren es pornographische Seiten. Bußgelder verhängte die KJM erstmals 2005 – gegen alle beanstandeten Angebote.

Web kein rechtsfreier Raum
Kein Beschuldigter hat bisher gezahlt . Alle legten Einspruch ein, der erst vor Gericht verhandelt werden muss. „Kritiker werfen uns vor, dass alles viel zu lange dauere“, so Weigand. „Aber im Rechtsstaat haben Beschuldigte das Recht, sich zu wehren.“ Mit Gründung der KJM mussten ihre Mitarbeiter zudem erst ein juristisch wasserdichtes Verfahren entwickeln.
„Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein“, sagt sie sehr bestimmt. „Auch die Polizei erwischt nur einen Bruchteil aller Raser im Straßenverkehr. Trotzdem muss sie weiter Jagd auf sie machen.“


http://focus.msn.de/digital/netguide/jugendschutz-net_nid_30336.html?DDI=3312
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so das hab ich jetzt mal hier eingestellt für die Leser hier, die glauben, das das Leben in Sri Lanka weit risikoreicher wäre als anderswo auf der Welt.
... oder für die, die glauben Mord, Folter und Kindesmissbrauch wäre nur in Asien ein großes Thema.

und ich hab es eingestellt um ebenfalls darauf aufmerksam zu machen, was sich in einer scheinbar sauberen, zivilisierten Welt alles so abspielt. Das was die Ermittler finden, ist allerdings nur ein Bruchteil von dem, was sich wirklich abspielt.

Das Schlimmste daran, offensichtlich sind die Schmutzfinken aufgrund unserer Gesetze nicht wirklich zu packen.
 
sehr guter artikel !


gerade deshalb sitzen die server vieler seite im ausland in irgendwelchen kleinen inselstaaten.

das problem ist seit langem bekannt und man kommt dort leider nicht an die betreiber ran
sm10:
 
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