Mit dem Tuk durch die Nordprovinz

Hallo Joerg,

auch von mir ein Dankeschön, sehr schöner und informativer Bericht und tolle Foto`s!

Liebe Grüße, Biggi
 
Ein kleiner Rückblick und Gedanken "on the Road"...

Ich war ja nun schon einige Male in dieser Gegend und (in entgegengesetzter Richtung) entlang der A35 unterwegs, aber noch nie habe ich mir so intensive Gedanken darüber gemacht, was hier in der jüngeren Geschichte Sri Lankas alles passiert sein muss, wie auf dieser Tour mit meinem tamilischen Freund aus Jaffna. Die ganze Gegend ist die wohl am grausamsten vom Bürgerkrieg betroffene Region der Insel.

Ich sitze ziemlich schweigsam und gedankenverloren im Tuk als wir Puthukkudiyiruppu verlassen. Im Ort lassen sich noch heute zahlreiche von den Einschusslöchern gezeichnete Gebäude finden, gleich daneben moderne Neubauten und eine Bevölkerung, der man die Spuren des Bürgerkriegs auch zehn Jahre später noch anmerkt, die aber durchaus zuversichtlich in die Zukunft zu blicken scheint.

Alles ist hier touristisches Niemands- und Neuland. Seit unserem Start in Jaffna - und auch im weiteren Verlauf der Tour - habe ich keine einzige westliche Weißnase erblicken können. Dabei gibt es hier so viel zu sehen... Auf der einen Seite ist das vielleicht auch gut so - auf der anderen Seite stimmt es schon nachdenklich, dass sich ein Großteil der Touristen scheinbar recht wenig um diesen Tel der Insel und der Vergangenheit des eigenen Urlaubsdomizils schert. Na, Hauptsache Sonne, Pool, Hotel mit Halbpension...

Wer mit offenen Augen unterwegs ist merkt schnell: Die Natur hat ebenso unter den menschlichen Verfehlungen gelitten. Auch wenn heute wieder fleißig angepflanzt wird, sieht man noch immer hunderte, vielleicht tausende von Granaten oder Gewehrkugeln zerbomte und durchlöcherte Kokosnusspalmen. Unzählige Palmenhaine, man spricht hier von weit mehr als 1 Mio. Palmen, sollen zu Kriegszeiten in diesem Teil der Insel zerstört worden sein. Was das für Auswirkungen hat? Irgendjemand hat mir vor Jahren im Süden mal erzählt, 100 dieser Bäume würden eine ganze Familie ernähren...

Kurz hinter Puthukkudiyiruppu trifft man auf das protzige Monument of Victory, das an diesem Ort ebenso überflüssig wie hässlich erscheint. Hieran haben sich wohl einige Arrack-schlürfende singhalesische Kriegshelden mit sowjetischen Veteranen der Bildhauerkunst verdient gemacht...

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Der Motor des Tuk knattert weiter monoton vor sich hin, Suresh spricht kein Wort, irgendwie kommen Hassgefühle auf... Wie gerne würde ich all das jetzt jemandem zeigen, erklären. Aber das ist eine ganz andere Geschichte...
 
Ich wollte eigentlich hier nichts zu Puthukkudiyiruppu veröffentlichen. Trotzdem gibt es wenigsten zwei Sätze zum Museum.

Museum:
Das Monument of Victory finde ich auch hässlich. Im Norden und Osten gibt es noch weitere. Im Museum waren 2012 (mein erster Besuch) die Texte nur in Englisch und Singhalesisch. Im Jahr 2013 (mein zweiter Besuch) kam Tamil hinzu.
 
Marco, das Museum dort gibt es schon lange nicht mehr... Lediglich einen kleinen Pavillon mit Hinweistafeln und Bildern.

Wäre es noch existent, hätte ich garantiert einen Satz darüber verloren...

Ebenso ist auch z.B. der „berühmte“ Wasserturm von Kilinochchi im Mai 2018 von der damaligen Regierung entfernt worden.
 
Mullivaikal – Sri Lankas „Killing Fields“

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Wenn man sich überlegt dass dieses Monument noch im Dezember 2009 - also nur ein gutes halbes Jahr nach Kriegsende - von Mahinda Rajapaksa enthüllt und eingeweiht wurde, dann kann man sich vorstellen wie eilig es die Singhalesen gehabt haben müssen, ihren Sieg, Stolz und ihre Macht gerade hier zu demonstrieren.

Vom Monument of Victory verläuft die A35 weiter in Richtung Küste. Man passiert die Chalai- oder Kovil-Junction, an der sich ein kleiner Pillaiyaar Kovil befindet und erblickt am Ortseingang von Mullivaikal die alte, vom Krieg zerbombte Markthalle der bis zum Mai 2009 historisch völlig unbedeutenden Ansiedlung zwischen Lagune und Indischem Ozean.

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Kovil Junction

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Der kleine Sri Murigandi Pillaiyaar Kovil

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Die alte Markthalle von Mullivaikal
 
Danke Joerg, wirklich informativ und lesenswert. Der Norden des Landes bleibt leider immer noch für den Tourismus im Verborgenen. Die Gegend bietet wesentlich mehr, als man aus den Prospekten lesen kann !
 
Mullivaikal – Sri Lankas „Killing Fields“

Ende Januar 2009 verliert die LTTE mit Mullaitivu die letzte von ihr kontrollierte Stadt an die Truppen der Regierung. Hunderttausende Zivilisten sind auf der Flucht und geraten unzureichend versorgt zwischen den Fronten unter Dauerbeschuss. Der kleine Küstenstreifen von Mullivaikal, zwischen dem Indischem Ozean und der Nanthi-Kadal-Lagune, wird zum Schauplatz der vermutlich abscheulichsten Kriegsverbrechen und Gräueltaten in der jahrzehntelangen Bürgerkriegsgeschichte des Landes.

Angesichts dieser prekären humanitären Lage nimmt der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 13. Mai 2009 erstmals offiziell Stellung zum Bürgerkrieg in Sri Lanka. Die Konfliktparteien werden aufgefordert, die Sicherheit und Versorgung der noch eingeschlossenen Bevölkerung und der Flüchtlinge zu gewährleisten. Doch Präsident Mahinda Rajapaksa lässt seinen Oberkommandeur Sarath Fonseka den Krieg brutal fortführen und beenden.

In einer Meldung vom 17.05.2019 heißt es auf der Pro-LTTE-Website TamilNet.com:
"This battle has reached it´s bitter end" - "We have decided to silence our guns"
Allein in den letzten Bürgerkriegswochen sollen hier bei Mullivaikal 40.000 Zivilisten ihr Leben verloren haben.

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Über die Vaddu Vakal Bridge erreichen wir Mullaitivu...
 
Zuletzt bearbeitet:
Mullaitivu mit seinen knapp 40.000 Einwohnern ist heute - zehn Jahre nach Kriegsende - ein recht angenehmer und ruhiger Ort. Es gibt zahlreiche Läden, Restaurants, Bürogebäude, eine Handvoll einfacher Unterkünfte und einen kilometerlangen, breiten Strand, der - wenn die Sonne einmal nicht erbarmungslos vom Himmel knallt - zu langen Spaziergängen einlädt. Alles scheint hier einen gemächlichen Gang zu gehen, die Fischer gehen ihrer täglichen Arbeit nach, durch die breiten Straßen fließt recht wenig Verkehr.

Bis in die Anfänge des Bürgerkriegs unterhielt hier die Sri Lanka Army einen Stützpunkt, bevor die Stadt im Juli 1996 von der LTTE eingenommen wurde und bis zum Ende der schrecklichen Jahre halten konnte. Die "Sehenswürdigkeiten" sind überschaubar, ein Blick lohnt in die Tsunami Memorial oder St. Peters Church (Bilder dazu gibt es hier: https://www.sri-lanka-board.de/show...llaitivu/page2&p=130246&viewfull=1#post130246).
Beim Tsunami am 26. Dezember 2004 wurde fast die ganze Stadt zerstört, im Distrikt Mullaitivu sollen bis zu 3000 Menschen bei der Katastrophe ihr Leben verloren haben.

Wer hier Hunger verspürt, kann sich im an der Beach Road gelegenen Mullai Café stärken oder besser gleich das Ammachchi Traditional Food Center (Ableger des Ammachchi in Vavuniya) aufsuchen, ein von einheimischen Frauen verwaltetes Restaurant, in dem man sehr angenehm draußen sitzt und das sehr preiswerte lokale Speisen zubereitet. Man kann hier den Frauen bei der Zubereitung über die Schulter sehen. Das Konzept ist das gleiche wie im von mir bereits vorgestellten Amma Unavagam in Jaffna (https://www.sri-lanka-board.de/showthread.php?19755-Jaffna-Amma-Unavagam).

www.facebook.com/ammachivavuniya

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Im Ammachchi treffen sich auch viele Angestellte aus den umliegenden Büros zur Mittagspause und man kommt sehr schnell ins Gespräch.
 
Zur groben Orientierung im Ort: das Zentrum von Mullaitivu mit dem Ammachchi, Mullai Café, Tsunami Memorial Church und Banken (ATM)

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Von Mullaitivu nach Mankulam

Hier oben in den abgelegenen Ecken der Nordprovinz äußert man sich froh darüber, dass nach den Schrecken der Vergangenheit wieder ein wenig Ruhe und Normalität Einzug in den Alltag der Bevölkerung gehalten hat. Auch viele der Hilfsorganisationen haben sich in den letzten Jahren zurückgezogen und die Hoffnung ist groß, dass schon bald auch mehr westliche Touristen diesen Teil der Insel für sich entdecken. In Mullivaikal gibt es mit Ocean View Holiday Bungalow ebenfalls bereits eine erste einfache Unterkunft. Angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im November ist aber auch eine gewisse Skepsis zu spüren und die Angst vor einem Rückfall in alte Zeiten. Alle hoffen jedenfalls, dass Tsunami und Kriege endgültig Geschichte sind...
Natürlich dürfen auch persönliche Dinge nicht fehlen. So übersetzt Suresh auch den beiden mit uns am Tisch sitzenden nicht englisch sprechenden Bankangestellten fleißig Fragen und Antworten zu Familie, Beruf und dem Grund unserer Tour durch den Norden.

Wir brechen auf. Unser nächstes Ziel ist der Vattrapalai Kannaki Amman Kovil auf der westlichen Seite der Lagune.

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Joerg,

eine Frage sei erlaubt.

Wie schätzt du die Entwicklung des Nordens bezügl. Tourismus selbst ein ?

* Unterkünfte
* Preis-/Leistungsverhältnis
* Infrastruktur

Besten Dank für die tollen Bilder.
 
Hallo Hänschen, mal schnell ein paar Gedanken dazu:

die Infrastruktur und Anbindung des Nordens an den Rest des Landes wurde ja in den letzten Jahren anständig vorangetrieben:
- Ausbau der A9 und weiterer "Fernstraßen"
- Northern Line der SL Railway bis nach Kankesanturai
- International Airport Jaffna

Touristisches Potential ist ja reichlich vorhanden:
- Tolle kilometerlange Strände (leider meistens ohne schattige Plätzchen und unerschlossen)
- Geschichte
- farbenfrohe Tempel und spektakuläre Tempelfeste (siehe Nallur)
- Natur (man sollte einmal im Januar oder Februar nach Jaffna fahren, wo zu dieser Zeit Millionen Zugvögel an den Lagunen überwintern)
- freundliche, aufgeschlossene Menschen
- eine ausgezeichnete lokale Küche

Leider gibt es, abgesehen von Jaffna Stadt, noch fast keine Unterkünfte in der Nordprovinz, die internationalen Ansprüchen genügen.
Es ist ein wenig wie im Osten: während Batticaloa wesentlich interessanter mit auch schöneren Stränden ist, zieht es doch die meisten Touristen nach Passi- oder Kalkudah - hier stehen die großen Luxusherbergen...
Ein guter Freund aus Batti, der auch eine eigene touristische Website betreibt, fragt mich immer und immer wieder: "Warum fahren alle an uns vorbei? Es ist doch so schön hier..."

Über das weitaus bessere Preis-Leistungsverhältnis des Nordens gegenüber der Süd- oder Südwestküste brauchen wir gar nicht erst zu reden.

Aber es werden wohl noch einige Jahre ins Land gehen, bis sich auch in der Nordprovinz deutlich etwas ändert. Bis dahin werden es wohl Backpacker/Individualtouristen bleiben, die diese Ecke des Landes für sich entdecken. Und das ist vielleicht auch ganz gut so...
 
Hallo Hänschen, mal schnell ein paar Gedanken dazu:

die Infrastruktur und Anbindung des Nordens an den Rest des Landes wurde ja in den letzten Jahren anständig vorangetrieben:
- Ausbau der A9 und weiterer "Fernstraßen"
- Northern Line der SL Railway bis nach Kankesanturai
- International Airport Jaffna

Touristisches Potential ist ja reichlich vorhanden:
- Tolle kilometerlange Strände (leider meistens ohne schattige Plätzchen und unerschlossen)
- Geschichte
- farbenfrohe Tempel und spektakuläre Tempelfeste (siehe Nallur)
- Natur (man sollte einmal im Januar oder Februar nach Jaffna fahren, wo zu dieser Zeit Millionen Zugvögel an den Lagunen überwintern)
- freundliche, aufgeschlossene Menschen
- eine ausgezeichnete lokale Küche

Leider gibt es, abgesehen von Jaffna Stadt, noch fast keine Unterkünfte in der Nordprovinz, die internationalen Ansprüchen genügen.
Es ist ein wenig wie im Osten: während Batticaloa wesentlich interessanter mit auch schöneren Stränden ist, zieht es doch die meisten Touristen nach Passi- oder Kalkudah - hier stehen die großen Luxusherbergen...
Ein guter Freund aus Batti, der auch eine eigene touristische Website betreibt, fragt mich immer und immer wieder: "Warum fahren alle an uns vorbei? Es ist doch so schön hier..."

Über das weitaus bessere Preis-Leistungsverhältnis des Nordens gegenüber der Süd- oder Südwestküste brauchen wir gar nicht erst zu reden.

Aber es werden wohl noch einige Jahre ins Land gehen, bis sich auch in der Nordprovinz deutlich etwas ändert. Bis dahin werden es wohl Backpacker/Individualtouristen bleiben, die diese Ecke des Landes für sich entdecken. Und das ist vielleicht auch ganz gut so...

Danke für die Rückmeldung und Infos aus erster Hand.

Ich sehe den Norden immer noch als echte Base für den Tourismus und hoffe aber trotzdem, dass einige Ecken für Insider vorbehalten bleiben. Abseits des Tourismus, wir 2 alleine am :beach: und die Mädels renovieren die Wohnung. :mrgreen:
 
Der südwestlich von Mullaitivu am Ufer der Nanthi-Kadal-Lagune gelegene Vattrappalai Kannakki Amman Kovil ist der Göttin Kannakki Amman geweiht. Glaubt man der Legende, kam Kannaki aus Madurai nach Sri Lanka und rastete an zehn verschiedenen Orten auf der Insel. Der zehnte Ort ihrer Reise hieß Paththam-Palai (Paththam - zehn, Palai - Residenz). Später wurde der Name zu Vattrappalai. Vattrapalai Amman gilt als Gottheit der Mythen, Mysterien und Wunder. Das wichtigste und größte Festival hier ist das Vaikasi Visakam Pongal, das über zwei Wochen im Mai stattfindet, tausende Gläubige aus allen Landesteilen anzieht und mit Vesak Poya zusammenfällt.

Als Kannakki Amman Vattrappalai besuchte, traf sie auf ein paar Hirten und erwähnte sie sei hungrig. Die Jungen servierten schnell eine Mahlzeit aus Milch und Reis in einem kleinen Vidathal-Blatt, das sich augenblicklich in ein Lotusblatt verwandelte.
Als es dunkel wurde brachte einer der Jungen eine Öllampe. Der Vollmond würde reichlich Licht liefern und das Wasser aus der Lagune von Nanthi Kadal könne zum Anzünden der Lampe verwendet werden, wies die Göttin sie an. Zum Erstaunen wurde die Lampe mit dem Wasser der Lagune angezündet und die anwesenden Dorfbewohner erkannten, dass es sich bei diesem Gast um Kannakki Amman handeln müsse. Der Kovil wurde exakt an der Stelle errichtet, an der die Hirten die Gottheit getroffen hatten...


Während des Festivals wird noch heute in Fortsetzung der Tradition, welche die Hirtenjungen begonnen hatten, Wasser aus der Lagune von Nanthi Kadal in Töpfe gefüllt und in Ghee getauchte Fäden zu den Gebeten angezündet.
 
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