news vom 04.01.06 / Neue Welle der Gewalt

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Von RAINER HÖRIG (Die Presse) 04.01.2006

Seit der Machtübernahme des Hardliners Rajapakse steuert Sri Lanka wieder auf einen Bürgerkrieg zu.

BOMBAY. Weltweit wächst die Sorge um den brüchigen Waffenstillstand in Sri Lanka. Die internationale Überwachungskommission für den Waffenstillstand warnt, die Tropeninsel südlich von Indien könne in den Bürgerkrieg zurückfallen, wenn nicht bald neue Verhandlungen zwischen Regierung und der tamilischen Rebellenorganisation "Befreiungstiger von Talim Eelam" (LTTE) aufgenommen würden: "Wenn der Trend zur Gewalt weitergeht, könnte der Krieg nicht mehr fern sein," sagte der Norweger Hagrup Haukland, der die Kommission leitet.


Am 23. Jänner soll der norwegische Vermittler Erik Solheim in Sri Lankas Hauptstadt Colombo eintreffen, um die seit April 2003 festgefahrenen Verhandlungen wieder in Gang zu bringen. Am vergangenen Freitag traten fünf hochrangige Bischöfe aus ganz Sri Lanka mit der LTTE in Kontakt, um die Rebellen an den Verhandlungstisch zurück zu holen.


Doch die Regierung scheint sich auf Gespräche allein nicht verlassen zu wollen. Am vergangenen Wochenende riegelten 4400 Soldaten und Polizisten die tamilischen Wohnviertel der Hauptstadt stundenlang ab, durchsuchten Häuser und verhafteten 900 Personen.

Die Gewalt zwischen Tamilenrebellen und Armee eskaliert seit den Parlamentswahlen im November. Bombenanschläge, politische Morde und Feuerüberfälle forderten allein im Dezember 83 Menschenleben. Am Montag wurden fünf Tamilen bei einem Sprengstoffanschlag getötet. Am 23. Dezember fuhr ein Militärbus im Nordwesten des Landes auf eine Mine, 13 Soldaten starben. Einen Tag später brach im Norden ein Feuergefecht zwischen LTTE-Kämpfern und Regierungssoldaten aus, das erste seit Beginn des Waffenstillstandes im Frühjahr 2002. Eine Woche zuvor war ein Armeehubschrauber über dem von der LTTE kontrollierten Gebiet abgeschossen worden. Haukland bezichtigte daraufhin die Rebellen eines "groben Verstoßes" gegen den Waffenstillstand.


Der zwanzigjährige Bürgerkrieg zwischen singhalesischer Bevölkerungsmehrheit und der tamilischen Minderheit forderte schätzungsweise 69.000 Menschenleben. Am 17. November war der Hardliner Mahinda Rajapakse mit knapper Mehrheit zum Präsidenten Sri Lankas gewählt worden. Er koaliert mit den kleineren Parteien JVP und JHU, die kompromisslos die Interessen der singhalesischen Mehrheit vertreten. Sie begrenzen seinen Verhandlungsspielraum, weil sie eine föderalistische Lösung, die den Tamilen einen eigenen Bundesstaat im Norden und Nordosten des Landes zubilligen würde, strikt ablehnen.


Präsident Rajapakse präsentiert sich denn auch als "Unitarist", der die politische Einheit des Landes, ganz im Sinne radikaler Singhalesen, nicht antasten will. Die LTTE dagegen fordert "Selbstbestimmung" für die Tamilen Sri Lankas in einem eigenen Staat.

Derzeit scheitert die Wiederaufnahme von Verhandlungen an der Unfähigkeit beider Seiten, sich auf einen Tagungsort zu einigen. Während die Regierung einen Ort in Asien vorschlägt, beharrt die LTTE auf Gesprächen in Oslo.

Die neuerliche Spirale der Gewalt schreckt Sri Lankas Öffentlichkeit auf. An der Börse von Colombo führten die jüngsten Anschläge zu starken Kursverlusten. In der Silvesternacht nahmen in der Hauptstadt tausende Menschen an einer Mahnwache für den Frieden teil.

http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=p&ressort=a&id=530012
 
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