Not vor der Haustür

étoile

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NRW-Innenminister Dr. Ingo Wolf war im Euskirchener Rotkreuzzentrum zu Gast
Jetzt geht es gegen Not vor der Haustür

Kreis Euskirchen/Batticaloa (bp). Wenn ein junger Mann von 21 Jahren drei Monate lang in einem Katastrophengebiet unter anderem den Aufbau von neun Kindergärten, zwei Behindertenschulen und einer medizinischen Ambulanz plant, organisiert und beaufsichtigt, dann ist das eine ganz außergewöhnliche Leistung. Eine, die "ihn fürs Leben qualifiziert", wie es unlängst Erwin Doppelfeld, der Kreisvorsitzende des Deutschen Roten Kreuzes, ausdrückte.

Weil der gelernte Dachdecker und künftige Architekturstudent René Böhmer (21) in Batticaloa/Sri Lanka so ganz Außergewöhnliches vollbracht hat, bekam der Euskirchener Rotkreuz-Mann jetzt hohen Besuch: Der frühere Oberkreisdirektor und jetzige NRW-Innenminister Dr. Ingo Wolf und Euskirchens Landrat Günter Rosenke kamen im Doppelpack, um dem 21-Jährigen Respekt und Anerkennung zu zollen.

René Böhmer hatte im Zuge des Projektes "Wir bauen auf - alle helfen mit", das die Wohlfahrts- und Rettungsorganisationen im Kreis Euskirchen ins Leben gerufen hatten, den Wiederaufbau in Batticaloa an der Südostküste von Sri Lanka in die Hand genommen.

Getreu dem Motto "Hilfe zur Selbsthilfe" hatte Böhmer einheimische Arbeitskräfte verpflichtet - und auch die Baumaterialien vor Ort im Küstenstädtchen selbst erworben. Rotkreuz-Geschäftsführer Rolf Zimmermann: "Das ist billiger und stärkt gleichzeitig Infrastruktur und Wirtschaft vor Ort." Mit Spendenmitteln finanzierte Lieferungen anderer Hilfsorganisationen verrotteten containerweise im Hafen, weil sie Dinge enthielten, die vor Ort gar keiner brauchen könne.

Trotz einer etwas lockereren Arbeitsmentalität als er sie von Westeuropa aus gewöhnt war, absolvierte Böhmer mit seinen tamilischen Gefährten ein ganz beachtliches Arbeitspensum. Nach Fertigstellung der neun Kindergärten in Batticaloa haben die Kindergärtnerinnen und Kinder inzwischen Partnerschaften zu den neun Kindergärten im Kreis Euskirchen aufgenommen, die vom Deutschen Roten Kreuz betrieben werden.

Während Böhmer in den Monaten seit der Tsunami-Katastrophe die neun Kindergärten mit ebenso vielen Spielplätzen und die beiden kleineren Behindertenschulen fertig stellen konnte, blieb die von ihm begonnene medizinische Ambulanz für 200 Patienten unvollendet.

Vergangenen Freitag nun brachte Rotkreuz-Geschäftsführer Rolf Zimmermann eine vierköpfige Mannschaft zum Flughafen, die die Ambulanz fertig baut und in Betrieb nimmt. Diesem Team gehören der Nettersheimer Gemeindewehrleiter Winfried Dederichs und sein Sohn Mario an, Stefanie Schmittner, die bereits im Frühsommer mit Michael Schnitzler in Sri Lanka tätig war, und Thomas Schwarzer.

Für Unterhalt und Betrieb der Ambulanz sowie der Schulen und Kindergärten reichen die seit dem Tsunami an Weihnachten 2004 im Kreis Euskirchen für "Wir bauen auf - alle helfen mit"" gesammelten Spenden (insgesamt 110 000 Euro) nach Abzug der bereits ausgegebenen Bau- und Personalkosten noch weitere zehn Jahre aus, so Rotkreuzchef Zimmermann. Deshalb wende sich die Gemeinschaftsaktion nun Problemen im Kreis Euskirchen zu.

Wie Landrat Günter Rosenke, der Schirmherr von "Wir bauen auf - alle helfen mit", vor Vertretern der Medien und der Wohlfahrtsverbände im Kreis Euskirchen sagte, packen die Mitgliedsverbände mit Unterstützung der Kreisbevölkerung nun das Problem der Not und Obdachlosigkeit im Kreis Euskirchen an.

Federführende Organisation bei der Sri-Lanka-Operation war und ist der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes. Gegen Not und Obdachlosigkeit ziehen Arbeiterwohlfahrt, Diakonisches Werk, Freiwillige Feuerwehr, Malteser-Hilfedienst, Deutsches Rotes Kreuz und Technisches Hilfswerk (THW) nun unter Federführung der Caritas zu Felde.

Klaus Schruff vom Caritasverband Euskirchen berichtete vor Medienvertretern, dass nach der Einführung von Hartz IV immer mehr Menschen und insbesondere auch kinderreiche Familien unter die Armutsgrenze rutschen. Auch die Zahl wohnungslos werdender Mütter steige dramatisch an, weil Freund oder Familie die oft noch jungen Frauen nach Bekanntwerden ihrer Schwangerschaft kurzerhand vor die Tür setzten.

Wo immer Caritas und Arbeiterwohlfahrt im Kreis Euskirchen Essen verteilten, so Klaus Schruff, bildeten sich lange Warteschlangen. Die Armut im Kreisgebiet wachse - und die Caritas müsse alleine 40 000 Euro pro Jahr aus Spendenmitteln für die Personalkosten mobilisieren, um die Notschlafstelle in Euskirchen mitzufinanzieren. Den Löwenanteil (80 000 Euro per anno) steuere dankenswerter die Stadt Euskirchen bei.

Rotkreuz-Kreisvorsitzender Erwin Doppelfeld beklagte beim Ministerbesuch, dass die Wohlfahrtsverbände vielfach Aufgaben von Kreis und Kommunen übernähmen, umgekehrt aber Zuschusskürzungen der öffentlichen Hände hinzunehmen hätten. Landrat Günter Rosenke sah sich veranlasst, gerade für die Obdachlosenhilfe der Caritas zu werben: "Wer heutzutage keine feste Anschrift hat, der fällt durch die Maschen des sozialen Netzes!"

http://www.blickpunkt-euskirchen.de/stories/?story=32396&nowo=1
 
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