Bambushaus aus Orsoy

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SOZIALES ENGAGEMENT / Markus Englisch erzählt

SRI LANKA I / Der Student nutzt das Projekt gleichzeitig als Thema für seine Diplomarbeit.

Markus Englisch ist in Orsoy geboren, studiert seit sechs Jahren im Österreichischen Innsbruck Architektur, besucht, nachdem er in Sri Lanka aktiv am Wiederaufbau nach dem Tsunami geholfen hat, zurzeit seine Eltern in Orsoy: "Zusammen mit Florent Triaire aus Frankreich habe ich die schreckliche Kathastrophe vom 26. Dezember 2004 zum Anlass genommen, meine Diplomarbeit als praktische Hilfe beim Wiederaufbau zu verstehen. Drei Monate waren wir vor Ort und sind vor knapp zwei Wochen zurückgekehrt.

"Kennengelernt habe ich Florent vor drei Jahren in Montpellier, wo ich ein Austauschjahr absolvierte. Florent war dann ein Jahr in Innsbruck. Im Februar entstand dann die Idee einen "Eins-zu-Eins-Bau" in Sri Lanka zu realisieren. Unabhängig von einer Organisation und nur mit Hilfe eines Stipendiums der jeweiligen Länder haben wir zuerst die betroffenen Küstengebiete im Westen und Osten Sri Lankas besucht. Dabei fielen uns die Unterschiede der Verwüstung und das geringere Engagement am Wiederaufbau in den Tamilenprovinzen im Osten und Norden der Insel auf.

Chaotische Einschränkungen
Die teilweise chaotischen wie unnützen Einschränkungen der Regierung machen es den ortsansässigen internationalen Organisationen nicht leicht. Es bestehen Bauverbote in der so genannten "Bufferzone", in 100 beziehungsweise 200 Meter Entfernung der Küstenlinie. Diese Maßnahme soll angeblich vor weiteren Tsunamis schützen. Viele Familien haben schon - wenn´s möglich war - aus eigenen Kräften ihre Häuser wieder in Stand gesetzt. Denn das versprochene Geld der Regierung für Tsunami-Opfer, 5000 Rupien im Monat (ein Euro sind etwa 125 Rupien), hat nur teilweise die Menschen erreicht. Opfer, die nicht bei anderen Familien unterkommen konnten, leben am unteren Rand der Gesellschaft in einem so genannten Shelter aus Holz, Blech oder Textilien. Zu der schwierigen Situation vor Ort , machen die Arbeiten der ansässigen Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) außerdem häufig einen unkoordinierten Eindruck.

Es werden zu wenige Absprachen untereinander gemacht, im Speziellen kommen infrastrukturelle Vorplanungen - wie beispielsweise das Problem der Abwasser - zu kurz und eine gesamtheitliche Planung der Siedlungen ist nicht ersichtlich. In nur wenigen NGO trafen wir auf Architekten. Nach der zweimonatigen Suche eines Partners, der uns einen Bauplatz und lokale Baumaterialien zur Verfügung stellt, kam die Eastern University in letzter Minute zur Hilfe.

Minimaler Kostenaufwand
Die Uni liegt 17 Kilometer nördlich der Stadt Batticaloa, an der Ostküste Sri Lankas. Dort wurde ein Modellhaus entwickelt, welches mit lokalen Helfern gebaut wird und als Musterhaus zur Anschauung für interessierte NGO dient.

Im Vordergrund der Entwicklung des ,Low-Cost-Houses´ stand immer, dass Einheimische in Eigenleistung mit minimalem Kostenaufwand das Haus bauen können. Zudem war es uns wichtig, eine Alternative anzubieten, welche der Ressourcenknappheit von Zement, Sand und Stahl in Sri Lanka Rechnung trägt.

Wir ließen außerdem lokale Gewohnheiten der Bevölkerung in die Planung der Wohnfunktionen einfließen. So hat das Haus ,zwei Gesichter´, eine kommunikative offene, wie auch eine intime geschlossene Einheit. Der Umgang mit dem traditionellen Baustoff Lehm ist zumeist bei der ärmeren Bevölkerung bekannt. In nur einmonatiger Bauphase konnten wir mit zwei Helfern das Projekt fast vollenden. Doch zwecks Sponsorensuche und Studium mussten wir Mitte Juli zurückkehren. Es ist aber ein einmonatiger Aufenthalt Mitte September bereits geplant, um das Modellhaus fertigzustellen.

Bauplatz für zehn Häuser
Ein weiterer Bauplatz für wenigstens zehn Häuser fanden wir in Kooperation mit Weslink, einer privaten norwegischen Organisation, in Pottuvil/Arugam Bay. Dieses Prfojekt könnte durch Spenden möglich werden. Probleme mit der Regierung seitens der Baugenehmigung wären dadurch ebenfalls bereits geklärt.

Jedes Haus kostet mit 40 Quadratmetern Grundfläche und bei Eigenleistung der Bewohner etwa 800 Euro, ist damit unschlagbar günstig. Im Vergleich dazu stehen die konventionellen Häuser aus Zement, die um die 5000 Euro kosten und für die die Baumaterialien nicht uneingeschränkt zu Verfügung stehen."

12.08.2005


http://www.waz.de/waz/waz.rheinberg...k=Stadt®ion=Rheinberg&auftritt=WAZ&dbserver=1
 
Bambushaus aus Orsoy / II

SRI LANKA II / Markus Englisch studiert in Innsbruck Architektur. Mit einem Freund hatte er im Indischen Ozean eine Idee.

RHEINBERG. Bambus gibt es auf Sri Lanka zur Genüge. Genau wie Lehm und Schilf. Zement ist knapp und deshalb teuer. Bauholz und Dachziegel sind für ärmere Menschen ebenfalls unerschwinglich. Und nach der Katastrophe vom 26. Dezember 2004 haben vor allem an den besonders betroffenen Regionen der Ost- und Südküste des Inselstaates zahlreiche Menschen ihr Hab und Gut verloren. Und wenn sie vor dem Tsunami schon nicht aus dem Vollen schöpfen konnten, nach der verheerenden Flutwelle haben viele schlichtweg nichts mehr. Nicht mal mehr ein Dach über dem Kopf. Selten erreichen die Spendengelder aus aller Welt, die von der Regierung verteilt werden sollen, diese Menschen.

Vor diesem Hintergrund wollte Markus Englisch aus Orsoy, Architekturstudent in Innsbruck, helfen. Zusammen mit seinem französischen Freund Florent Triaire, ebenfalls ein angehender Architekt, machte er sich auf nach Sri Lanka. Im Gepäck: eine Idee und jede Menge Enthusiasmus.

Bei Organisationen abgeblitzt
Nachdem die beiden hilfsbereiten Studenten in Columbo angekommen waren, stand ihnen erst einmal eine zweimonatige Rundreise bevor. Bei zahlreichen Organisationen blitzten Markus und Florent ab. Doch schon während der Tour entwickelten die beiden ihr Haus. Aber erst durch die Eastern University nahe Batticaloa, im Nordosten der Insel, konnte das Model schließlich richtig gebaut werden. Mit 40 Quadratmetern Wohnfläche.

Den Kontakt zur Uni stellte Professor Kugathasan vom Botanischen Institut her. Der arbeitete nämlich gerade als Übersetzer für einen kanadischen Reporter, der wiederum bei der gleichen Familie untergekommen war wie die beiden Studenten. Kurzum: Der Zufall half den Helfern.

Auf einem Gelände der Uni, fernab von administrativer Willkür und Regelung, konnte es nun losgehen. Der Vize-Kanzler der Uni, Professor Raveendranath, stellte den beiden Gästen sogar noch den Bauingenieur Ketheesparan und mit Jasitharan und Jeyakumar zwei Helfer zur Verfügung. Jasitharan erwies sich als Spezialist für Knoten, Jeyakumar ist hoch gewachsen. Ein Umstand, der auf der improvisierten Baustelle häufig die notwendige, aber nicht immer griffbereite Leiter einsparte.

Zuerst wurde aus dem sandigen Boden das etwa 40 Zentimeter tiefe Fundament ausgehoben und befestigt. Eine Schotterschicht aus gebrannten und zerschlagenen Ziegeln bildete die Grundlage für eine dünne Lage Zement, auf der zwei jeweils zwei Zentimeter dicke Lehmschichten aufgetragen wurden. Das ist der Boden, Schlafplatz vieler Menschen auf Sri Lanka. "Der Lehm kühlt", so Markus Englisch, und sei quasi auf der ganzen Insel ausreichend vorhanden. Den besten fanden die Bauherren bei Termitenhügeln. Nur musste dieser äußerst feste Lehm kleingeschlagen und danach kräftig bewässert werden.

Holz, ein teurer Baustoff
Als nächster Schritt stand nun die eigentliche Konstruktion des Hauses an. Dazu wurde vor allem Bambus genommen. "Bambus soll das Problem des teureren Baustoffes Holz ersetzen. Es zählt zudem zu den am schnellsten wachsenden Pflanzen der Welt", erklärt Markus Englisch die weiteren Überlegungen. "Dies und weiteres führte zu einem Entwurf, welcher die natürlichen Fähigkeiten der Baustoffe ausnutzt und sowohl Schutz vor Wärme und Regen bietet".

Doch zuerst musste sich der 28-jährige Orsoyer erst einmal fit machen im Umgang mit Bambus. Zwar habe er im Studium in Innsbruck schon mal Holzgitterschalen gebaut, doch Bambus hat noch andere Eigenschaften. "Wir haben den Helfern nach wenigen Tagen gesagt, dass sie den Bambus erst schlagen sollen, wenn wir ihn brauchen. Nicht früher". Denn nur frisch geschlagen lässt sich das widerstandsfähige Material ausreichend biegen. Und für die großen Bögen, die dem Haus ein charakteristisches Äußeres geben, musste der Bambus extrem gebogen werden.

Sogar ganz ohne Nägel kommt das Haus der beiden Studenten aus. Für die Verbindungen wurden Seile genommen, die aus Kokosfasern bestehen, die vor Ort hergestellt werden. Dabei konnte Jasitharans mit seinen Fähigkeiten glänzen. Wie gesagt, der Spezialist für Knoten.

Die Innenwände können flexibel um die mittige Stützsäule gestaltet werden. Verputzt wird wieder mit Lehm. Und das Dach wird - ähnlich eines Reetdachs - mit Schilfhalmen bestückt. "Es gibt Handwerker dort, die diese Technik beherrschen", hat sich Markus Englisch erkundigt. Am Ende jedenfalls sollen die Helfer auf Sri Lanka als Multiplikatoren fungieren, die recht simple Bauweise den Nachbarn näher bringen.

Die Bauzeit liegt bei knapp zwei Wochen
So könnten sich nach Meinung von Markus Englisch und seinem 26-jährigen Freund Florent Triaire zahlreiche Opfer des Tsunamis in nur knapp zwei Wochen Bauzeit wieder ein eigenes Haus bauen.

Allerdings: Fertig geworden sind die beiden Studenten noch nicht. Deshalb reist der 28-Jährige Mitte September noch einmal für einige Wochen dorthin, um das Musterhaus fertig stellen zu können.

12.08.2005 UWE ZAK


http://www.waz.de/waz/waz.rheinberg...k=Stadt®ion=Rheinberg&auftritt=WAZ&dbserver=1
 
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