Abschied am Meer

étoile

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TSUNAMI - Beim Seebeben in Asien starben mehr als dreißig Berliner. Einer davon war Eberhard George. Seine Frau wurde gerettet. Sie erzählt vom Leben nach der Katastrophe.

Abschied am Meer
Wiebke Hollersen

Anke George sieht jünger aus als sie ist. Sie lacht, wenn man ihr das sagt und schlägt die Augen nieder wie ein Mädchen. Anke George ist 47, sie wirkt sportlich und gebräunt, sie hat einen festen Händedruck und eine sanfte Stimme.

Mit dieser Stimme sagt sie, dass der Schimmer in ihrem Gesicht aus einer Tube Selbstbräuner kommt. Dass sie noch nicht ins Solarium darf, wegen der Narben. Sie nimmt die rechte Hand von der linken, man kann die rote Linie sehen, die sich vom Handgelenk bis zum Ansatz des kleinen Fingers zieht. Dann zeigt sie, wie über ihrem rechten Fußknöchel neue Haut gewachsen ist. Endlich, sagt sie und schiebt den Stoff ihrer Jeans wieder hinunter.

Es ist nicht so, dass Anke George etwas verstecken will, aber man soll ihr die Katastrophe auch nicht sofort ansehen. Das Tsunami-Opfer. Die Witwe.

Anke George hat beim Tsunami am 26. Dezember 2004 ihren Ehemann verloren. Sie war mit ihm und ihrem Vater in Thailand, drei Wochen über Weihnachten, zum ersten Mal. "Wir fahren selten zweimal irgendwo hin. Nach Thailand wollten wir wieder", sagt Anke George. Sie erzählt, wie sie erst durch den Norden des Landes gereist sind, wie sie sich in Khao Lak erholen wollten.

Am Morgen des zweiten Weihnachtstages stehen die drei am Strand und starren auf das leere Meer, ein paar Sekunden, eine Ewigkeit. Es ist warm, der Himmel blau, sie sind glücklich und erschrocken. Dann laufen sie um ihr Leben. In dem letzten Bild, das Anke George von ihrem Mann im Kopf hat, stürzt über ihm ein Strandbungalow zusammen.

Der 26. Dezember 2004 besteht für Anke George aus solchen Bildern. Der Schlüssel zum Ferienhäuschen, den sie noch vom Tisch am Strand nimmt und erst unter Wasser loslässt. Der Mann, der sie nach der ersten Tsunami-Welle auf ein Haus aus Stein zieht und danach weg ist. Der Körper, der an ihr vorbeitreibt, und den sie so lange anbrüllt, bis sie begreift, dass er tot ist.

Ein thailändischer Wildhüter bringt Anke George ins nächstgelegene Krankenhaus. Ihre Wunden an Hand und Fuß sind noch nicht genäht, da schickt sie die erste E-Mail an ihren Bruder in Berlin. Am nächsten Tag erfährt sie, dass ihr Vater in einem Krankenhaus in Phuket liegt, sie lässt sich hinbringen. Der Vater hat Eiterherde am ganzen Körper, seine Lunge ist entzündet, Anke Georges Bein dick geschwollen. Die Verlegung der beiden erst nach Bangkok, dann ins Unfallkrankenhaus Berlin-Marzahn organisieren ihre Angehörigen und der ADAC . Ende Januar werden Vater und Tochter entlassen, "wir waren uns so nah wie nie zuvor."

Anke George kann Arme und Bein wieder bewegen, sie kann Briefe von Versicherungen öffnen, viel mehr kann sie nicht. Ihr Mann wird vermisst, sie vermisst ihn. Manchmal reicht es, dass sich ein Paar im Supermarkt küsst, und sie bricht in Tränen aus. Wenn sie sich Fernsehbilder vom Tsunami anschaut, kann sie nicht weinen.

Anke George fährt zu einer mehrwöchigen Trauma-Kur. Danach zwingt sie sich zurück ins Leben, macht Sport, besucht eine Selbsthilfegruppe, im April fängt sie wieder an zu arbeiten. Am 9. Mai wird die Leiche von Eberhard George, 56, identifiziert.

Ein paar Tage später fährt seine Frau, die jetzt seine Witwe ist, nach Thailand. "Würdiger als dort hätte ich ihn nicht bestatten können", sagt sie. Anke George ist wie viele, die beim Tsunami Angehörige verloren haben, wütend auf die Behörden in Deutschland. Zwei Schreiben hat sie nach dem Unglück bekommen: Mahnungen vom Auswärtigen Amt, über 1 000 Baht Notfallhilfe, ausgezahlt in Thailand im Dezember 2004. 19,07 Euro. Die erste lag schon im Briefkasten, als sie im Januar aus dem Krankenhaus kam. "Von den ganzen Spenden haben die deutschen Opfer nichts bekommen." Anke George erzählt von Menschen, die durch die Katastrophe verarmt sind, die kein Geld hatten, um ihre Toten aus Thailand zu holen. Die einzige Hilfe der Bundesregierung für sie war ein zinsloses Darlehnen. Geliehenes Geld.

Sie kann die Reise bezahlen, ihr Mann hatte eine Lebensversicherung. Sie findet Suthep Prommon, den Wildhüter, der sie nach dem Tsunami ins Krankenhaus gebracht hat, er begleitet sie in Thailand. In einem buddhistischen Tempel verabschieden sie Eberhard George und lassen ihn einäschern. Die Trauernden tragen Weiß, sie streuen die Asche und Blumen ins Meer. Suthep Prommon, ein Herr Mitte 70, sagt zu Anke George, sie soll die Asche nicht vor ihr Haus stellen, wie es alte Witwen in Thailand tun: Du bist jung, du willst doch noch mal heiraten. "Das hätte meinem Mann gefallen. Ich hab sein lausbübisches Grinsen richtig vor mir gesehen."

Anke George hat noch keine Heiratspläne. Sie ist mit dem Überleben beschäftigt. Sie hat sich fest vorgenommen, dass es keine Last sein soll, sondern ein Geschenk. Sie sagt: "Ich bin froh, dass ich weiterleben durfte", aber auch: "Ich wache manchmal nachts auf und fasse es nicht." Sie hat die Wohnung für Weihnachten geschmückt, nicht obwohl, sondern weil ihr Mann das immer so schön gemacht hat. Sie hat mit den anderen aus der Selbsthilfegruppe für einen Gedenkstein für die Berliner Opfer gesammelt, der am 26. Dezember in einer Feier enthüllt werden soll. Sie hat sich entschlossen, die Rede der Angehörigen bei der Feier zu halten.

"Das wird mein Abschluss, mein absoluter", sagt Anke George.

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/berlin/511162.html
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nach all den Milliarden Spenden, der riesigen Spendensumme vom damaligen Bundeskanzler Schröder zugesagt, mahnen Deutsche Behörden wegen 19,07 Euro!!! Das ist fast schon unglaublich und sowas von unverschämt. Deutsche spenden, um den Menschen zu helfen, aber Deutschland tut nur wenig für die eigenen Leute ....
 
AbaY Nimmt auch Abschied am Meer

Nach unseren Schweigestunden zwischen 09:04 und 11:00 und dem Sirenen Fruehwarn Test heute morgen nehmen wir heute Abend auch Abschied am Meer.

Meet
Eat
Talk
Remember
(try to) Forget & Forgive
ALL TOGETHER

Ist das Motto zu dem das SVH das gesamte Dorf (sowie die ca. 10 Auslaender & Besucher in der Bucht) eingeladen hat.

Internationales grosses Buffet
Camp- und Mahnfeuer
Kerzen am Strand

sind geboten; jeder ist willkommen.
Alles ist umsonst, fuer jeden.
Alles genauso wie genau vor einem Jahr.

Nebenbei Anmerkung:
Der Einzige Urlauber/Ueberlebende der zurueck kam um mit uns zu trauern/Abschied zu nehmen ist Simon Napper - Weder Presse, Beamte oder eine einzige NGO's sind vor Ort. Es ist eben alles anders hier als auf den anderen Seiten (Galle & Thailand)
 
das ist wunderbar, was ihr da macht ...
alle Achtung .

LG

Regina
 
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