Check IN
Noch 2 Tage, aber nach der Lektüre des folgenden Berichtes wird mir ganz flau in der Magengegend:
DER TERROR-SCHOCK
Hinter den Kontrollen wirds brisant
Kuriose Widersprüche beim Sicherheits-Check auf den Flughäfen / Die Nagelfeile wird konfisziert - das Messer gibts danach zum Brötchen
JOACHIM HUTT
Angst und Verunsicherung auf den Flughäfen nach den versuchten Terroranschlägen in London. Mal wieder sollen Gesetze verschärft und Kontrollen intensiviert werden. Alles Aktionismus? MOPO-Reporter Joachim Hutt hatte auf seinen Pendlerflügen zwischen Hamburg und München kuriose Sicherheits-Erlebnisse.
Denn detailiert beschreiben zwar die Richtlinien des Luftfahrtbundesamtes (LBA), was Passagiere am Leib und im Handgepäck mit an Bord nehmen dürfen: Gegenstände, die als scharfe, spitze, brennbare "Waffe" taugen könnten, werden konfisziert. Doch ein paar Meter weiter, im Duty-Free-Bereich, lassen sich viele dieser Dinge problemlos neu besorgen. Hier die kuriosesten Widersprüche:
- Scharfe "Waffen": Gezielt werde ich beim Einchecken danach durchsucht. Auf dem Hamburger Flughafen bekomme ich zum Würstchen nur Plastikbesteck und die Auskunft "Wir dürfen aus Sicherheitsgründen kein richtiges Besteck herausgeben". Kein Thema in München: Hier kann ich nach der Kontrolle an diversen Selbstbedienungsstationen sogar Stahlbesteck selber nehmen. Ganz zu schweigen von vielen Gastroständen. An denen wird hinter dem Verkaufstresen ganz offen mit Schlachtermessern hantiert. Ich stehe nur einen Handgriff davon entfernt.
- Spitze "Waffen": Die stumpfe Nagelpfeile wird beim Check konfisziert. Schließlich wurden die 9/11-Flieger mit banalen Teppichmessern entführt. Doch mein Weg in ein Schreibgeschäft am Flughafen München genügt. Hier gibt es edle Stahlfedern, mit denen ohne Probleme eine Flugbesatzung bedroht werden kann.
- Brennbare "Waffen": Aus dem bekannten "Zippo"-Feuerzeug wird mir am Check der Wattebausch herausgenommen. Zu gefährlich. Doch bis zu fünf Liter (!) hochprozentigen Alkohol (bis zu 70 Prozent) kann ich mit an Bord nehmen. Das würde ein ordentliches Feuer geben. Auch auf vielen Parfum-Flaschen, die ich in den Duty-Free-Shops sehe, ist ein Gefahrenhinweis, dass die Flüssigkeit leicht entflammbar ist. Davon dürfte ich bis zu einen halben Liter mitnehmen.
- Flüssige "Waffen": Auf dem Hamburger Flughafen frage ich einen Sicherheitsbeamten, warum er die Plastikflasche der vor mir kontrollierten Dame nicht geprüft habe. Die Antwort: "Wieso? Da ist ja nur Wasser drin." Schließlich stand genau dies ja auch auf dem Etikett - sein guter Glaube in Ehren.
- Explosive "Waffen": Ausdrücklich verboten ist laut LBA-Liste natürlich auch die Mitnahme von Feuerlöschern. Im Sicherheitsbereich des Flughafen München zum Beispiel sehe ich jede Menge davon hängen. Sie würden auch in meine große Handgepäcktasche passen.
Fazit: Aktionismus am Check-in - Inkonsequenz im Duty-Free-Bereich.
Die Diskussion um neue Sicherheitsbestimmungen für Duty-Free-Produkte ist bereits entbrannt. Das Verbot von Getränken und Flüssigkeiten im Handgepäck von USA-Reisenden könnte das Geschäft von Duty-Free-Shops beeinträchtigen. "Der Verlust dieser Verkäufe könnte langfristig ein Problem werden", sagt Michael Payne, der Geschäftsführer der Internationalen Vereinigung von Duty-Free-Shops an Flughäfen.
Eine Sicherheitsschleuse am Flughafen: Die Fluggäste werden durchsucht, das Handgepäck wird durchleuchtet auf der Suche nach gefährlichen Gegenständen, die im Flieger als Waffe dienen könnten. Dazu zählen laut Luftfahrt-Bundesamt auf Grundlage der EU-Verordnung 68/2004 auch "spitze oder scharfe Gegenstände, die Verletzungen hervorrufen können" und "alle hochentzündlichen Stoffe"
Duty Free Shops: Gravierende Sicherheitslücken
Ein Geschäft im Duty-Free-Bereich: Hier, nur ein paar Meter hinter den Kontrollen, kann jeder Passagier ähnliche Gegenstände kaufen, wie sie ihm gerade noch vom SicherheitsPersonal abgenommen wurden. Mit den "Waffen" unbemerkt in den Flieger zu gelangen, ist jetzt ganz einfach. Beim Einchecken vor der Gangway wird selten noch einmal kontrolliert
Keine scharfen Gegenstände? In Hamburg gibt es die Wurst nur mit Plastikbesteck (o. l.), in München wird scharfes Metall serviert (o. r.). Wer mehr Messer möchte, kann hier sogar nachnehmen (u. l.) - und ein beherzter Griff über den Tresen reicht, um an Schlachtermesser zu kommen (u.r.)
Keine spitzen Utensilien? Was ist eine kleine Nagelpfeile gegen diese edle Schreibfeder? Sie ist 18 Zentimeter lang, spitz wie ein Damaszener-Dolch - und aus bruchfestem Metall. Ein Geschäft führt sie im Sicherheitsbereich des Münchner Flughafens - die Boeing wartet im Hintergrund
Keine entflammbaren Flüssigkeiten? Im Duty Free wird damit das große Geschäft gemacht. Dieser Gin hat 47 Prozent Alkohol, so mancher Rum und Absinth weit mehr. Und auf jeder Parfumverpackung wird vor der Brandgefahr gewarnt
MOPO-Reporter Joachim Hutt
(MOPO vom 12.08.2006 / SEITE 4-5)
Wir fliegen trotzdem
lG Chris