Moin, moin Tanja!
Erinnerst Du Dich noch, wir trafen uns vergangenes Weihnachten in Arugam Bay bei Fred, als ich eine Horde Kinder dabei hatte. Damals hast Du mich gefragt, ob ich nicht mal wieder im SLB schreiben möchte. Ich hab es mir lange überlegt und starte hier nun mit einem neues Erlebnisbericht meiner Gastfamilie in Haputale.
Gruß,
Oliver
Eigentlich wollte ich ja nur wieder Indien machen, habe mich dann aber zum Überraschungsbesuch bei Dias entschieden. Indische Freunde hatten mir alle E-Tickets vorab zugesandt. Also ruckzuck in 6 Tagen und 2.000 km per Bus und Bahn duch Indien gereist, Delhi-Jodphur-Udaipur-Delhi, Freunde besucht und den 16. Geburtstag von Pooja gefeiert. Dann Flug über Chennai nach Colombo, wo mich dank Fred´s freundlicher Unterstützung der "Arugam Taxi Services" abholte. Morgens um sieben schlich ich mich in Dias Haus. Irgendwo waren Kinderstimmen, aber keiner bemerkte mich. Erst als ich "Police, open the door!" rief, wurde es eine Sekunde still, dann überlief mich eine Horde freudestrahlender Kinder. Eine gelungene Überraschung.
Leider blieben nur wenige Tage Gemeinsamkeit. An drei Tagen traf ich Schüler der 7. Klasse in der neu gebauten Vorschule. Sie haben eine Brieffreundschaft mit der Realschule Lahnstein und bereiteten neue Briefe vor. Die Lahnsteiner Kinder hatten mir haufenweise Briefe, Fotos, Zeichnungen und viele, viele Fragen mitgegeben. Dias Söhne Shirod und Promodh begleiteten mich als Dolmetscher, erklärten die Fragen und sammelten Antworten. Am Tag meiner Abreise, dem ersten Schultag, traf ich dann noch einmal den Direx, übergab restliche Briefe jener Schüler, die nicht zu unseren 3 Treffen erscheinen konnten.
An einem Freitag wanderten ich mit Dias und 10 Kindern (10-15 Jahre) 25 km. Dabei durften die moslemischen Kinder nur mitkommen, weil ich dem Vater versprochen hatte, zur rechten Zeit beten zu lassen. Mit dem vollgestopften Zug (Poya) ging es früh morgens nach Ohiya. Dort folgten wir der Strecke zum Bambarakanda Wasserfall, mit 790 Fuss der höchste Wasserfall Sri Lankas. Ist man erst einmal über den Ohiya Pass, hat man einen grandiosen Ausblick über weite, einsame Berge und die Steilwand um Worlds End. Vorbei an kolonialen Bungalows, verkommenen Teefabriken und verstreuten Dörfern folgten wir der steinigen Straße zur Devils Stair, eine steil ansteigende Zickzack-Straße nach Haputale West. Etwas unterhalb sahen wir einen riesigen Felsen auf dem ein einsamer Baum wuchs. Oberhalb vom Wasserfall fanden wir eine kleine Badestelle, wo sich die Kinder sofort hereinstürzten. Leider begann es dort gerade zu regnen. Danach folgten wir der Straße zum letzten Pass und liefen zur Unterseite des Wasserfalls. Auch hier stürtzten sich die Kinder ins Wasser und badeten eine kleine Ewigkeit. 5 km weiter unten, in Kallupahana, nahmen wir den nächsten Bus nach Haputale.
Zwei Tage später lud ich noch mal alle Kinder, diesmal inklusive 4 Kleinkinder ein. Erst ein Besuch beim Adisham Kloster, danach Little Adams Peak in Ella. Mit uns war der 2 1/2jährige Roshan, der ein zu langes Bein hat. Im Wettrennen mit den anderen Kindern schaute er zwar immer in Laufrichtung der anderen Kinder, jedoch lief er nach rechts, ohne es zu merken. Dabei übersah er dann jedes Hindernis und musste rechtzeitig von den größeren Jungen aufgefangen werden.
Wieder zuhause, waren 15 Leuten einer Hochzeitsgesellschaft eingetroffen, die alle Familienzimmer belegte. Entsprechend hecktisch war das Treiben im Haus. Nebenbei wurde noch meine Geburtstagsfeier vorbereitet, die die Kinder unbedingt vorab feiern wollten, weil sie mir auch mal etwas schenken wollten. War dann auch alles sehr schön mit viel Deko, super Essen, Geburtstagsständchen und ganz viel Harmonie.
Leider war nich alles so rosig. Fareena hatte immer wieder Fieber und Rückenschmerzen. Leider hört sie nie auf ärztliche Anweisungen, turnt nach kurze Erholung gleich wieder in der Küche herum und wird dann rückfällig. Beebi und Jeseema, Fareenas Schwestern haben es auch gerade mit den Beinen und Hüften. Dias hat dann noch zwei Verwandte, George und Danu aufgenommen. Danu ist im 5. Monat schwanger, hatte kürzlich Windpocken. Aus Sorge um das Kind nahm sie keine Medikamente. Kürzlich, während meiner 25 km Wanderung, sammelte sie von Dias Dach Wäsche ein, stürzte 4 m durch ein Lichtfenster. Prellung am Rücken, riesen Sorge um das Kind. Die Scanner Station des Hospitals ist jedoch erst Dienstag wieder offen. Später stellt sich heraus, alles okay. Danus Windpocken wurden auf die Kinder Hiran, Sabra und Sabrina übertragen. darum durften sie mich zuerst auch nicht begrüßen. Habe dann aber gleich meine Mutter angerufen, die Entwarnung gab. Danach habe ich die Kleinen fest in die Arme geschlossen. Dias hat noch eine zweite, heimatlose Familie aufgenommen. Philip, seine Frau Viyaja und deren 3 Kleinkinder. Viyaja ist seit einem Insektenstich einseitig blind und läuft auf einem verkrüppelten Fuss. Roshan, der mit dem langen Bein, ist ihr jüngster Sohn. Gerade höre ich, Roshan habe nun auch die Windpocken. So viele Sorgen und ein Dias, der niemals nein sagen kann, wenn ihn jemand um Hilfe bittet. Oft höre ich ihm zu, versuche ihm Mut zuzusprechen, wenn ihm alles zu viel wird, und irgendwie schöpft er dann auch wieder Kraft, weiterzumachen.
Kaum zurück in Deutschland, meldet sich Petra, ich soll ganz schnell eine Kurzfassung zu den neuen TrainMyBrain-projekten schreiben. Gesagt, getan und zugeschickt, findet sich am folgenden Tag der Sri Lanka Forum Kalender 2010 in der Homepage der Berliner Sri Lanka Botschaft. Diesen Hinweisen folgend fand ich die erfreuliche Mitteilung, dass TrainMyBrain auch in diesem Jahr wieder unterstützt werden soll. Welch freudige Überraschung - und gerade zur rechten Zeit. Denn neben unserem Wunsch nach verbesserten sanitäre Einrichtungen für Schulen entlang der Dambatenne Road, gelten unsere Sorgen auch der Familie von Philip, Viyaja und deren drei Kinder. Gerne würden wir sie beim Bau eines bescheidenen Eigenheimes unterstützen. Dieses Ziel scheint nun schon sehr viel näher gerückt.
Vor ein paar Tagen rief mich dann ein Deutscher aus Sri Lanka an. Ob ich wohl Skype hätte und ihn anrufen könnte, er hätte eine Überraschung für mich. Also ganz schnell alles installiert, Video aktiviert und 3 Kinder von Dias erblickt. Sie wollten mir unbedingt zum Geburtstag gratulieren, sangen mir ein Ständchen und brachten das Personal des Internet Cafe zum Applaudieren. Symbolisch reichten sie mir Geschenke. Der Deutsche war ganz gerührt und meinte später, bei dieser Familie sei alles genauso harmonisch, tragisch und echt, wie er es aus den Foren und Reiseberichten herausgelesen hätte. Genauso, mit all den Höhen und Tiefen, hätte er sich seinen Urlaub mit dieser Familie vorgestellt. Die Kinder mögen den neuen, deutschen Uncle sehr.
Was uns beiden dort gefällt? Man bekommt ein Gefühl dazu zu gehören. Ein Teil der Familie zu sein und nicht einfach nur eine Nummer die kommt und geht. Bei vielen anderen Gästehäusern fehlt die persönliche und freundschaftliche Note. So ein mit Herzblut betriebener Familienbetrieb ist uns tausendmal lieber als all jene mit Fremdpersonal besetzten Hotels, die sich nicht mit der Sache identifizieren können. Sicherlich bietet Haputale komfortablere Hotels, jedoch keines davon hat den privaten, charmanten Flair des Dias Rest.
Liebe Grüße,
Oliver