Hier ein Toilettenthema:
DRINGENDES BEDUERFNIS (aus NZZ am Sonntag)
Im Leben gibt es immer wieder Situationen, aus denen man nicht mit Anstand herauskommt. Oder zumindest nicht mit Anmut und Würde. Menschliches, Allzumenschliches passiert uns fortwährend. Auch mir. Unlängst geriet ich unvermittelt in eine Kalamität, die in meinen Kindertagen mit dem Zweizeiler «Der Schreck erfasst ihn hinterwärts / er eilt zum Häuschen mit dem Herz» illustriert worden wäre. Nun aber bewegte ich mich mitten in Zürich. Kein Häuschen mit Herz war in Sicht, wenigstens aber ein S-Bahnhof.
Ich betrat also mit ausserordentlich dynamischem Schritt die Herrentoilette. Doch o weh! Alle Kabinen waren besetzt. Also wartete ich vor den verschlossenen Türen. Trat nervös von einem Bein aufs andere. Zählte die Sekunden. Schaute neidisch auf die Glücklichen, die in munter wechselnder Schar im Pissoir ihr Wasser abschlugen.
Endlich öffnete sich eine Tür. Ich zückte meinen bereitgehaltenen Franken, stürzte in die Zelle und verschaffte mir die dringend benötigte Erleichterung. Einen Augenblick lang war ich richtig glücklich. Bis zu dem Moment, als ich die WC-Tür wieder öffnete. Da standen zwei junge Polizisten vor mir. Breitbeinig. Selbstbewusst. In voller Montur. Und der eine fragte mich im bezauberndsten St. Galler Dialekt, was ich hier bitte schön zu suchen hätte.
Ich bemühte mich, meine Lage in schlichten Worten zu erklären. Aber ich konnte die Ordnungshüter nicht überzeugen. «Wir haben Sie beobachtet», sagte deren einer. «Sie sind vor den WC-Türen herumgeschlichen und haben sich verdächtig benommen!»
Ich versuchte, das zu dementieren. Doch sofort merkte ich, dass ich keine Chance hatte. Wenn ich hier eine Grundsatzdiskussion vom Zaun riss, setzte ich mich nur ins Unrecht. Mit Rechtfertigungen. Mit Protesten. Mit der empörten Frage nach Name und Dienstausweis. Als Gentleman soll man sich in einem gutbesuchten Pissoir nicht mit der Polizei anlegen.
Ich versuchte also, die Situation zu entschärfen und meiner Wege zu gehen. Doch auch zivile Demut nützte mir nichts. «Diesmal kommen Sie noch davon», rief mir einer der beiden Polizisten nach. «Aber passen Sie auf! Sie sind jetzt registriert!»
Was sollte das nun wieder heissen? Ich war nicht nach meinen Personalien gefragt worden. Hatte man mich gefilmt? Vor der Kabine? In der Kabine? Oder handelte es sich nur um eine Drohgebärde? Verwirrt fuhr ich nach Hause. Körperlich erleichtert, aber seelisch beschwert. Und redete mir tapfer zu: Die Polizisten haben nur ihre Pflicht getan. Mit meinen Steuergeldern. Übereifrig und unterbelichtet. Man muss es still ertragen.
Wann ist das in SL soweit???
LG
Aliel