Was lest ihr grade ....

C

Claudia

Guest
Was lest ihr grade:

(natürlich habe ich den ganzen Text erst mal in Word erarbeitet *schwitz*)

Ich mache jetzt mal den Anfang mit zwei Lanka-Büchern, hoffe aber auf das gleiche Ergebnis, wie bei „Was hört ihr grade“. Weil, manchmal hat man ein Buch im Auge, das einem besonders gut gefällt, (ich lese z.B. mindestens ein Buch die Woche, bin Stammgast in der Bücherei) und kann meine Tipps weiter geben.

Selbstverständlich hat mich die jüngste Diskussion auf die Idee gebrachtsm7:.

Ich schreibe jetzt mal in der Lesereihenfolge, um niemanden ein „komisches Gefühl“ zu vermitteln, das liegt mir nämlich fern!!!

Das erste Buch das ich gelesen habe, war
"Der Krokodilfelsen von Claudia Ackermann“ „Sehnsucht nach Sri Lanka“.
Die Sehnsucht kann ich nach dem Lesen gut nachvollziehen.

Auf das Buch gekommen bin ich durch das Forum.

Gekauft habe ich es über traveldiary.de und alles hat prima geklappt. Dann lag das Buch zwei Wochen bei meinen Vorbereitungsutensilien für meinen Urlaub im Januar 09 in SL. Ich hatte mir vorgenommen, das Buch im Flugzeug zu lesen, auch wenn ich manchmal sehnsüchtig hinüber geschaut habe. Ich wollte es aber unbedingt mitnehmen, um es meinem Onkel auch lesen zu lassen. Das war die richtige Entscheidung zur Einstimmung auf meinen Urlaub:

Erst habe ich das Buch fast ohne Pause ausgelesen, dann mein Onkel. (Er ist ja nur ein paar Tage älter als ich, also hat es gepasst.) Zusammen sind wir nachher Claudias Reise auf der Landkarte, im Internet und in Selbsterfahrung nachgereist. Immer das Buch an der Seite (So sieht es jetzt auch aus ;) das Buch natürlich ;) )Das Alter hat gepasst, und wir konnten uns gut vorstellen, dass uns diese Reise auch super gut gefallen hätte. Allein der Mut dazu hat uns zu dieser Zeit gefehlt. Schon ziemlich am Anfang hat mich die Beschreibung der Threeweeler zu einem Lacher veranlasst: „Kleine stinkende Blechdosen“ *kicher* (passender geht es einfach nicht), mein Nebensitzer im Flieger hat mich ganz erstaunt angeguckt und ich musste auch noch auf englisch erklären, was meine Heiterkeit hervorrief. Und jetzt mal schnell die richtigen Worte finden, ist gar nicht so einfach. Ich glaube, er hat mich einfach nicht verstanden ;) . Trotzdem habe ich auch die Ernsthaftigkeit des Buches erfasst und ich habe mitgelitten. Ich war mit dabei in der Arugam Bay, im Bus, am Krokodilfelsen, auf der Botschaft und wieder zurück um Suriya bei der Flucht zu helfen.

Von Goa hatte man ja schon gehört, aber weniger Vorstellung davon. Auch da habe ich mitgelebt.

Man hatte einfach das Gefühl, mit einbezogen zu sein. Vielleicht liegt es am passenden Alter aber ich denke auch am Schreibstil, mich hat dieses Buch sehr gefangen gehalten und ich werde es auch ein drittes und viertes Mal lesen und auf Claudia`s Internetseite die weiteren Geschehnisse verfolgen. Man ist ja doch auch ein Stück weit sentimental ;) .

Das zweite SL-Buch das ich gelesen haben war
„In einem leuchtend schönen Land“ „Abenteuer Alltag in Sri Lanka“
Auch hier kann ich alles nachvollziehen.

Aufmerksam auf das Buch bin ich auch in Forum geworden.

Gekauft habe ich es auf dem Forumstreffen, glücklicherweise habe ich das letzte Exemplar erstanden *freu*.

Dieses Mal lief die Geschichte anders herum. Da mein Onkel mit lankanischer Frau einen Tag vor dem Forumtreffen in Deutschland auf vierwöchigem Urlaub eintraf, durfte er das Buch zuerst lesen. Als wir es beide gelesen hatten, haben wir auch wie beim vorherigen Buch, stundenlang über die amüsanten Gegebenheiten palavert. Wir konnten gemeinsam auch wieder viele Ereignisse nachvollziehen, sei es der explodierende Wasserboiler, Haussuche, Schlangen oder andere Tiere, fast statt gefundene Schlägereien, Nichtverstehen der einheimischen Mentalität, Unfall, Hausmädchen und viele tausend andere Dinge. Auch in diesem Buch waren wir immer dabei und haben oft geschmunzelt und Gleichheiten zu dem Leben eines seit 12 Jahren dort ansässigen Onkels gefunden. Auch hat uns die Wortwahl der Autorin niemals gestört, wir haben es verstanden. Dabei ist uns aber im Gefühl nicht entgangen, dass der Abschied vom „Leuchtend schönen Land“ auch ganz schön schwer gefallen ist. Zwischendurch ist auch immer erkennbar gewesen, dass die Autorin das Leben dort auch gelebt hat und es gefallen hat. Ich hatte sogar den Eindruck, dass sie diesem Leben nachtrauert. Auch dieses Buch werde ich noch mehrmals lesen. Es ist einfach wirklichkeitsnah.

So, jetzt bin ich mit meinen Rezensionen am Ende.

So sieht halt eine Beurteilung einer Insiderin aus ;) .

Abschliessend will ich noch einmal anführen, dass alle Bücher der Welt, wie alle Musik der Welt hier, mit einem kleinen Statement empfohlen werden können. Also, strengt euch an und lest mal wieder ;)

Ich bin auf eure Tipps gespannt!!! Meine Büchereimitarbeiterin besorgt mir alles was ich will *freu*

Wer jetzt, nach diesem Mammuttext noch Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten *grins*
Aber, nachdem ich heute schon mal dabei bin, musste ich die Tastatur noch etwas beschäftigen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
AW: Was lest ihr grade ...

Hallo Claudia

Auf die Frage, " was lest Ihr grade " , möchte ich folgendermassen Antworten.

Ich bin um 05.30 aufgestanden, habe meinen Komputer angeworfen und Kaffeewasser gekocht.

Nun lese ich in chronologischer Reienfolge :

Neue Beiträge in verschiedenen Foren, natürlich auch die des SLB.

Verschiedene In- und ausländische Tageszeitungen.

Natürlich alle meine Mails, die in der Nacht eingetrudelt sind.

Bücher lese ich zur Unterhaltung, oder aber fachspeziefischer Natur.

Gruss

sudu ..... der nun keine Kochbücher zitiert :lach::lach::lach:
 
AW: Was lest ihr grade ...

Sehr lange...aber einfach nur lesenswert!!!!

Reisebericht von Frau Sonne



Sonnenuntergang Regenwald
So fremd wie noch an keinem Ort zuvor !

Der Mann spricht schlechtes Englisch-und er will Geld. Soviel steht schonmal fest.
Mehr müssen wir vielleicht auch gar nicht wissen.

Er hat jedenfalls die Umstände auf seiner Seite, wie er da so steht, kaum Zähne im Mund, mit aufgehaltener, faltiger Hand. Ich versuche ihn besser zu verstehen, habe aber keinen großen Erfolg dabei, was ihm wohl nur Recht ist. Um uns herum ist es laut, Autos, hunderte von aufgeregt umherlaufenden Menschen, die wild durcheinander reden, viele Gerüche – Abgase, Müll, Gewürze, der scharfe Geruch von Unrat in der Gosse – fremde Sprachen und vor allen Dingen ein ungewohntes, energiezehrendes Klima. Drückende, feucht-warme Luft. Das T-Shirt klebt schwer an meiner Haut. Ich bekomme keine Luft.

„U giv money, madame, me go for u so u give money!“
Ich schaue Hilfe suchend nach meinem Bruder - der mich Hilfe suchend ansieht. Er scheint ebenso überfordert zu sein, wie ich es bin.
„Hast du Geld griffbereit? Ich glaube, ich habe nix klein…“

Meine Finger fummeln hektisch nach dem Portemonnaie im Rucksack auf meinem Rücken. Das Geld ist irgendwo tief unter den anderen Sachen verstaut, damit niemand so schnell daran kommt. Das schließt mich leider mit ein.
Wo bleibt denn nur die verdammte Karre? Wir sollten schon vor mindestens fünf Minuten abgeholt werden. Was wenn er uns jetzt nicht mehr findet? Sind unsere Koffer noch da? Oh Mist, unsere Koffer!

Ich gebe meinem Bruder hektisch den Befehl, sich nach dem Gepäck umzusehen. Normalerweise würde er mir anhand meines Tonfalls nur den Vogel zeigen – jetzt kommt er mit blassem Gesicht wortlos meiner Aufforderung nach.
Was sollen wir jetzt machen? Wohin jetzt eigentlich, wenn der nicht kommt? Was wenn…
„Madame! U giv money I go for you…!“
„Ja, ja doch!”

Verärgert drücke ich dem Mann zwei Euro in die Hand. Er zieht sich endlich zurück. Ich weiß, dass das für hiesige Verhältnisse ein Vermögen ist und bin ziemlich sauer, schon mal direkt den ersten Fehler begangen zu haben. Darauf hätte ich eigentlich vorbereitet sein müssen. Der Typ hat immerhin nicht mehr gemacht als zweimal unsere Koffer auf so einen blöden Gepäckwagen drauf und wieder runter zu laden.
Als ich mich zu meinem Bruder umdrehe sehe ich, dass er schon mit der nächsten aufgehaltenen Hand kämpft, die für irgendetwas Geld haben will…. Langsam gesellt sich zu meiner Ungeduld eine leichte Form der Panik.
„Effa! Kommt mit euren Sachen hier rüber!“

Mir fällt ein halber Berg vom Herzen. Endlich ist Sudath mit seinem kleinen Reisebus vorgefahren. Er steht lässig mit dem Arm an der Kofferraumklappe angelehnt vor uns. Zwei Goldkettchen um den Hals und ein frisch gebügeltes, sauberes Hemd. Passt hier gar nicht rein. Sein dunkles Gesicht grinst breit über beide Ohren, weiße Zähne blitzen mich an. Er scheint ob unserer Irritation sehr amüsiert zu sein. Ich fühle mich dämlich touristisch.
Wir warten, bis der Fahrer das Gepäck eingeladen hat, dann reißt Sudath die Schiebetüre des Wagens auf und bittet uns einzusteigen. Wir lassen uns erschöpft in die weichen Sitze sinken und erfahren auf der Stelle, was es hier für einen Wert hat, wenn man eine Klimaanlage besitzt.
Ohne sich weiter aufzuhalten fährt der Bus los, kaum dass Sudath Platz auf dem Beifahrersitz genommen hat. Nach dem ersten erschrockenen Aufschrei, weil wir beinahe in einen Lastwagen fahren, fällt mir wieder ein, dass hier ja Linksverkehr herrscht.
Sudath lacht. Der Fahrer hustet ununterbochen.
Langsam verlassen wir das Flughafengelände über eine holprige Strasse und passieren eine Reihe zerzauster Frauen, die an die Scheiben klopfen und nach Almosen fragen. Ich komme mir zunehmend immer dekadenter vor. Es ist mir nicht möglich, die Frauen lange anzuschauen, ohne dabei ein unterschwelliges Schuldgefühl zu empfinden - ob ich das will oder nicht. Auch damit hätte ich rechnen müssen. Der Fahrer rotzt lautstark aus dem Fenster, was er eben heraufgehustet hat. Das soll nun noch die ganze, dreistündige Fahrt so gehen.

„Habt ihr Hunger?“
Sudath scheint äußerst zufrieden zu sein, dass wir endlich angekommen sind. Ich bin mir da bei mir gerade noch gar nicht so sicher…

Es regnet. Nein. Es schüttet. Als hätte Gott von einem Moment auf den anderen spontan beschlossen, die Welt in eine riesige Dusche zu verwandeln.
Wir sind endlich angekommen. Ich liege völlig durchnässt auf der dünnen Schaumstoffmatratze meines Bettes. Durchnässt, obwohl ich gar nicht im Regen gewesen bin. Es ist unerträglich warm. Über mir rattert ein großer Deckenventilator. Er erweckt den Anschein, als würde er jeden Moment einfach auf mich herunterfallen, weil er seinen eigenen Rotationen nicht mehr standhält.
Wasser und Grün. Das ist das erste, was mir in den Sinn kommt. Was ich sehe, wenn ich meinen Kopf in Richtung Fenster drehe. Wasser, das auf grüne Palmenblätter tropft. Tropfen, die die rot-braune Erde zu Schlamm werden lassen.

Ich bin alleine. Mein Bruder ist mit Sudath in das Dorf gefahren, Lebensmittel und Wasser einkaufen.
Langsam stehe ich auf und öffne die Türe unseres Appartements, mache einen Schritt hinaus auf die überflutete Terrasse. Das Wasser umspült meine nackten Füße, bildet einen kleinen See um mich herum. In meinen Ohren rauscht es. Das Wasser tut gut. Ich schließe die Augen, und in meinem Kopf läuft alles Gesehene wieder ab. Gleich einem Film im Zeitraffer…

… alles ist bunt, ein Lächeln, Kühe, Müll vor den Türen, Kinder mit riesigen schwarzen Augen, misstrauische Blicke, ein Tempel, Hupen, kleine Fähnchen um einen großen Bodhi-Baum gewickelt, unser Fahrer spendet ein paar Münzen, Schlaglöcher, ein Mann ohne Beine, viele braune und beige Hunde, die kläffend neben dem Auto entlanglaufen, Gesprächsfetzen, ein Mönch in orangefarbener Kutte, dänische Butterkekse neben Kokosnuss-Stücken in einer Imbissbude, Musik aus einem kleinen Radio, Palmen und seltsame Früchte am Straßenrand, fremde Schriftzeichen überall, ein riesiger, neonfarbener Plastik-Jesus hinter Glas an einer Kreuzung, vielfarbige Girlanden am Rückspiegel, der Fahrer spuckt rote Flecken auf den Asphalt... der Strand neben der Strasse, das aufgewühlte Meer, die riesigen Wellen, die wütend den Sand aufschäumen…

… meine Hose hat sich bis zu den Knien mit Wasser voll gesogen. Erschrocken mache ich einen Schritt zurück in das Zimmer, lege mich schließlich wieder auf das Bett. Ich fühle mich auf einmal so weit entfernt von zu Hause. Und so fremd wie noch an keinem Ort zuvor.
Mit einem Mal hört der Regen auf; so schnell wie er eben noch da war ist er jetzt wieder verschwunden.

Sudath ist betrunken. Zuviel Arrak, Kokosnuss-Schnaps, ein beliebter Drink auf der Insel. Ich höre dem Singhalesen mit einem Ohr zu, dabei geht mir durch den Kopf, dass Sri Lanka das Land mit der größten Alkoholismus-Rate der Welt ist. Das Zeug haut aber auch wirklich rein. Eine angenehme Schwere hat sich auf meine Beine gelegt.
„Hier bei uns musst du die Katze im Sack kaufen, wenn du heiratest! Die Familie muss einverstanden sein, du darfst kaum Kontakt zu deiner Zukünftigen haben – schon mal gar nicht auf sexueller Ebene. Das ist ganz schön riskant! Eine unverheiratete, schwangere Frau ohne Mann kann hier direkt einpacken – die hat in unserer Gesellschaft keine Chance!“
Sein starker Akzent verstärkt sich, je mehr Arrak er trinkt. Trotzdem verstehen wir ihn gut. Er ist oft in Deutschland gewesen und hat dort wahrscheinlich schon mehr Orte bereist, als ich als Deutsche selber je getan hätte. Er lebt in Sri Lanka und hat hier Familie. Neben seinem Wohnhaus hat er vor einigen Jahren das Appartement errichtet, in dem wir jetzt zu Gast sind. Und er hat ein kleines Juweliergeschäft am Strand. Er ist hier ein reicher Mann.
Angefangen hat er als Beach Boy – musste damals als ältester Sohn der Familie das Geld heranschaffen, weil sein Vater früh gestorben war. „Mir gehörte eine einzige Kokospalme. Die Nüsse habe ich am Strand ganz frisch verkauft. Jeder Junge auf Sri Lanka lernt das Palmenklettern, wie man bei euch das Fahrradfahren lernt…!“
Wir erfahren, dass jede Kokospalme auf der Insel einen Besitzer hat. Es gibt hier keine „herrenlosen“ Palmen, dafür sind sie zu wertvoll.
Es gibt 101 Verwendungszwecke für eine Kokospalme. Kokos ist das Haupt-Exportgut.
Wir lernen gerade den entsprechenden Schnaps kennen. Ich nehme noch einen Schluck Arrak.
Auf der Terrasse unseres Appartements weht ein angenehmes Lüftchen. Eben hat noch die Sonne geschienen, innerhalb einer halben Stunde ist sie untergegangen. Schon um sieben Uhr abends wird es hier dunkel. Um sieben Uhr morgens wieder hell. Die Tage sind hier immer gleich lang.
Jetzt ist es Nacht – ich kann die Umrisse von Flughunden erkennen, die über die Baumwipfel kreisen. Die Tiere haben eine eindrucksvolle Silhouette gegen das Mondlicht.

„Wenn ihr wollt, dann fahren wir nächste Woche in den Urwald. Da müsst ihr gute Kondition haben. Und keine Angst vor Blutegeln. Aber das passt schon…!“
Die Nacht ist lang. Wir sprechen über das Land, die Menschen, die Familie, den Buddhismus, und über den Bürgerkrieg zwischen den Singhalesen und den Tamilen, den Hindus im Land.
„Ich teile viele Einstellungen meiner Landsleute nicht. Wenn man in der Welt umherreist, erweitert das den Horizont. Da kommen dir gewisse Sachen einfach total unsinnig vor und man lernt auch die andere Seite zu verstehen…! Es ist in der Vergangenheit zu viel Blut vergossen worden, soviel steht fest. Jetzt ist momentan zum Glück Frieden im Land.“
(Am nächsten Tag schon, während wir uns in der Hauptstadt Colombo aufhalten, wird dort ein Attentat auf mehrere Tamilen-Männer verübt. Sie werden alle im Schlaf erschossen. Wir werden davon erst erfahren, wenn wir wieder in Deutschland sind.)

„Hot?“
„Yes, of course!“
Der Kellner stutzt kurz und wirft uns einen erstaunten Blick zu, dann dreht er sich um und geht zurück in die Küche, um unseren Bestellungen nachzukommen.
„Bist du bekloppt?“, fahre ich meinen Bruder an. Das letzte Essen hatte mir mit seiner Schärfe beinahe die Speiseröhre weggeätzt. Ich war eigentlich nicht sonderlich erpicht darauf, dieses Erlebnis zu wiederholen. Jetzt ist es allerdings zu spät.
Er sieht mich genervt an: „Warum? Willst du dein Essen kalt essen oder was?“
Ich verdrehe die Augen. Mir ist klar, dass er es durchaus ernst meint, daher fange ich gar nicht erst einen Streit an.
Das Essen wird mit den Fingern zu sich genommen. Immer die rechte Hand – schwierig, wenn man wie ich Linkshänder ist. Ich gebe mir Mühe. Es gehört zur Tischetikette, sich die Finger nur bis zur Hälfte voll zu sauen. Alles was darüber geht, oder sogar bis auf die Hand selber, wird als äußerst unfein aufgefasst. Na schön. Ich lade mir den Teller mit Reis voll, greife anschließend in einige der unzähligen Töpfchen. Gemüse, Kichererbsen, Fisch, Linsen, Kokosflocken. Auf meinem Teller ein einziges Chaos. Die Menschen auf Sri Lanka sind der Meinung, man kann ein Essen nur dann genießen, wenn man von allem gleichzeitig etwas im Mund hat.
Ich genieße weniger, als dass ich bete, es zu überleben. Schon nach wenigen Fingerladungen schnürt sich meine Kehle zu. Schnell schiebe ich mir eine Fuhre Reis hinterher – Wasser macht alles nur noch schlimmer. Scharf. Sehr scharf. Hilfe. Luft. Speichel. Mund auf und pusten. Hilft alles nichts. Ich habe das dumme Gefühl, gerade für immer meinen Geschmacksinn eingebüßt zu haben.
Und ich schwitze. Ich schwitze STARK. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, allerdings beginne ich gerade, unappetitlich in mein Essen zu tropfen. Die Einheimischen machen sich über uns lustig. Ich werfe meinem Bruder einen grimmigen Blick zu. Als ich seinen hochroten Kopf sehe, muss ich trotzdem grinsen.
„Das nächste Mal bestelle ich!“
Von ihm kommt keine Widerrede.

Es ist das Schönste, was meine Augen jemals gesehen haben. Jedenfalls kommt es mir so vor. Ich kann es kaum in Worte fassen, was mir durch den Kopf geht, während ich die letzten 10 Meter bis zum Wasser gehe. Ich vergesse, warum oder mit wem ich hier bin. Alles was ich sehen kann, ist das Meer und diese phantastische Aussicht. Unberührt. Das ist der richtige Begriff. Ich selbst komme mir so vor, als sollte ich gar nicht hier sein, als wäre ich selbst nur eine Art Fremdkörper, der die Idylle mit seiner Anwesenheit stört.
Wir stehen im Yala-Nationalpark und blicken auf das Meer hinaus. Normalerweise darf man den Safari-Jeep nicht verlassen, aber hier gibt es eine Stelle, an der die Ranger den Touristen den Gang bis ans Wasser gönnen. UNSER Ranger dreht sich gerade friedlich einen Joint. Er scheint ganz froh zu sein, mal Ruhe von uns zu haben.
Wir sind fast alleine. Zu dieser Zeit kommen kaum Touristen hier her. Ich bin froh drüber. Und gleichzeitig schäme ich mich, dass ich selber auch einer von ihnen bin. Im Geiste danke ich Gott dafür, dass der riesige Rest des Strandes, wie auch der des übrigen Naturschutzgebietes, von niemandem betreten werden darf. Auch von mir nicht.
Das Licht steht perfekt. Die riesigen Wellen haben Gegenwind und kurz bevor sie brechen wirbelt der Luftzug tausende kleine Tröpfchen in den Himmel. Es ist unglaublich schön hier. Ich habe eine Dauergänsehaut und würde am liebsten noch stundenlang einfach nur in die Wellen schauen. Aber gleichzeitig macht mich der Anblick so traurig, weil es magische Orte wie diesen nur noch so selten gibt.
„Wir sind einfach zu viele geworden!“, murmle ich in mich hinein und bin selber erschrocken über meinen plötzlichen Emotionsschub. Die Wellen graben sich krachend in den Sand hinein, sodass mich niemand gehört hat. Trotzdem habe ich ernsthaft Tränen in den Augen.

„33 Stück!“
Mein Bruder wälzt sich vor Lachen auf dem unbequemen Bett hin und her.
„An EINEM Fuß…!“
Er prustet noch lauter und schnappt übertrieben nach Luft. Ich finde es weniger witzig und wickle mich beleidigt in mein Laken ein.
„Wenn DU die hättest, würdest du nicht mehr so blöd lachen! Weißt du wie beschissen das ist, überall am Körper Mückenstiche zu haben?“
„Hatte ich noch nie! War schon immer so, dass du die alle abbekommen hast…!“
Damit hat er auch noch Recht, der Blödmann.
Er geht ins Badezimmer; derweil zünde ich eine Mückenabwehr-Spirale an und beginne schließlich, das Moskitonetz unter die Matratze zu klemmen. Meine Haut ist komplett krebsrot – selbst wenn es mir gelingen sollte, den Juckreiz zu ignorieren, werde ich diese Nacht wegen des Sonnenbrands wohl kaum ein Auge zumachen. Innerlich verfluche ich meinen Bruder, denn auch die Sonne kann ihm nichts anhaben. Ich ziehe mir missmutig das Laken bis an die Nasenspitze und warte darauf, dass er das Licht ausmacht.
Plötzlich ertönt ein greller, entsetzter Schrei aus dem Badezimmer.
„Mir ist da gerade was RIESIGES über den Rücken gelaufen! Ich konnte nicht sehen, was es war…!“
Mit einem breiten Grinsen in Gedanken täusche ich vor, schon eingeschlafen zu sein…

Wir heben ab. Das Flugzeug scheint sich eine Ewigkeit nicht zu stabilisieren; eine Zeit lang habe ich wirklich ein bisschen Angst, dass etwas schief geht. Wir sausen in ein kleines Luftloch - ein Gepäckfach springt auf und sein Inhalt verteilt sich im Gang. Erst als der Pilot es schafft, die Maschine aus den dunklen Regenwolken an der Küste herauszumanövrieren, wird der Flug ruhiger.
„Na, da haben wir aber noch mal Glück gehabt, nicht wahr Schwesterherz?“, zwinkert mein Bruder mir übertrieben zu. Mit seinem Routinegrinsen im Gesicht fährt er seinen Sitz zurück und signalisiert mir damit, dass er nun vorhat, mir den Rest der Zeit lieber schlafend Gesellschaft zu leisten.

Ich atme tief ein und schaue aus dem Fenster. Man sieht immer noch Palmen. Sie werden schnell kleiner und sind schließlich nicht mehr als solche zu erkennen. Komisches Gefühl, wieder zurück zu fliegen. Mittlerweile hatte ich die Distanz zwischen mir und zu Hause sogar genossen. Es ist irgendwie unangenehm, dass sie sich jetzt wieder von Minute zu Minute verringert. Ich weiß nicht wirklich warum.
Der Flug ist anstrengend und energiezehrend. Das Essen ist viel zu laff gewürzt und schmeckt ein bisschen wie Pappmaché. Als wir endlich in Düsseldorf ankommen, sind wir wie gerädert.
Wir müssen lange auf meinen Koffer warten – er ist bis oben hin mit Sri Lanka vollgeladen. Wir stehen einfach nur am Band und starren ins Leere. Ich habe das Gefühl, mich in einem Traum zu befinden.

In der Wartehalle stürmt unsere Mutter auf uns zu – sie weint und freut sich, uns wieder zu sehen. Eine stürmische Umarmung, haufenweise Fragen und maßloser Enthusiasmus. Ich sage, dass ich mich auf mein Bett freue – dass muss als Aussage erstmal reichen.
Im Auto überfällt uns beide die Müdigkeit. Meine Mutter berichtet, was alles geschehen ist, während wir fort waren. Ich täusche vor, ihr zuzuhören. Die Autobahnpfosten rasen an mir vorbei. Grau, grau, grau, grau. Das monotone Brummen des Motors. Mir fällt auf, wie ruhig der Wagen fährt – kein Schlagloch auf deutschen Autobahnen, natürlich nicht. Es nieselt – Dauerregen. Unsere Mutter meint, er würde schon seit Tagen anhalten. Ich schließe die Augen. Das erste, was ich sehe, ist der Umriss einer Palme. Der letzte Gedanke, den ich noch zu fassen bekomme bevor ich einschlafe ist, dass hier alles verändert ist. Und dann merke ich, dass ich mich fremd fühle – so fremd wie noch an keinem Ort zuvor…



http://www.reinerts-in-srilanka.com/index.php?category=reisebericht%20sri%20lanka

Dieser Reisebericht macht mich fertisch..................Aber wunderschön, oder? Wer bekommt keine feuchten Äuglein? EHRLICH MAL?

S.C.
 
AW: Was lest ihr grade ...

Ein gutes Thema. Ich lese auch für mein Leben gern.

Das letzte Buch war "In einem leuchtend schönen Land" von Minouche Moser .
Ich habe es erst gestern aus der Hand gelegt und es hat mir sehr gut gefallen.
Ich habe viel geschmunzelt, und auch jemand der nicht so tief mit SL verbandelt ist,
kann sich gut in die Situationen hinein versetzen.
Ja, und der Schreibstil hat mir ausserordentlich gut gefallen, er war witzig und gleichzeitig mit viel Mut zur Selbstironie.
Als nächstes werde ich dann "Den Krokodilfelsen" lesen, aber erst wenn ich mein bereits angefangenes Buch " Tintenblut" von Cornelia Funke fertig gelesen habe.
Ja, ich oute mich, ich lese auch gern Kinderbücher und manchmal auch 2 Bücher gleichzeitig.

Nun mein Buchtipp.

" Traumfänger" von Marlo Morgan.

"Traumfänger" ist die Geschichte einer Amerikanerin, die von einem Stamm australischer Aborigines zu einer Ehrung für ihre Arbeit mit jugendlichen Ureinwohnern eingeladen wird. Nach stundenlanger Fahrt durch die Wüste bei dem Stamm der "Wahren Menschen" angekommen, teilt man ihr mit, dass sie auserkoren worden ist, an einem dreimonatigen "Walkabout" - einer Wanderung durch den australischen Busch - teilzunehmen.
Marlo Morgan hat keine andere Wahl, als dieser Einladung zu folgen, denn ihre Kleider, ihren Schmuck, ihre Papiere haben die Ureinwohner verbrannt. Sie sieht sich ganz neuen Lebensumstände ausgesetzt. Messerscharfes Gras und Dornengestrüpp malträtieren ihre Füße, ihre Muskeln schmerzen von den meilenlangen Märschen, und ihre helle Haut verbrennt in der gleißenden Sonne. Da die Aborigines auf ihrem Walkabout nichts Eßbares bei sich tragen, stehen Ameisen, Eidechsen, Krokodle, Käfer Känguruhs, Maden und Wurzeln auf der Speisekarte.
Aber Marlo Morgan erfährt auch eine unerwartete Bereicherung, denn die Aborigines heißen sie als eine der ihren willkommen und werden zu einfühlsamen Lehrern. Die "Wahren Menschen" zeigen ihr, was es bedeutet, die Begabung und die Talente, die in jedem Menschen stecken, zu achten und zu fördern. Und sie lernt, dass diese Menschen seit 50.000 Jahren in einer einzigartigen Harmonie mit der Natur leben und dieser mit Ehrerbietung gegenübertreten. ( Goldmann-Verlag)

Ich habe selten so ein faszinierendes Buch gelesen und war auch innerhalb eines Tages (damals in SL) damit durch. Ich kann es nur jedem empfehlen.

Liebe Grüße von Silly







 
AW: Was lest ihr grade ...

Ein gutes Thema. Ich lese auch für mein Leben gern.

Als nächstes werde ich dann "Den Krokodilfelsen" lesen,

Kam gestern erst dazu erst fertig zu lesen. Hatte es ja zur Hälfte bereits mal im Flieger gelesen, dann musste ich es wieder abgeben.

Vorsicht Silly, ......dass Du gedanklich nicht mit auf den Felsen steigst. Ich werde es mit Sicherheit nochmal lesen und in einigen Monaten nochmal.
Du liest es und bist "mit dabei", voll dabei!!
Aber... das können wohl wirklich nur "echte" Sri Lanka Fans nachempfinden. Einfach nur wunderschön und auf den Punkt gebracht, was das Land betrifft " Claudia"
"M.M" ist im Juli im Urlaub dran!
Lieben Gruss S.C.
 
AW: Was lest ihr grade ...

Heute gibt es ein Traumwetter und mein Liegestuhl im Garten
wartet schon auf mich:smilinse:.
Die passende Lektüre habe ich gestern bei meinem Buchhändler bestellt
und konnte sie heute schon abholen.
1.gif


Silly, danke für den Tipp ;)
 

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  • Traumfänger.jpg
    Traumfänger.jpg
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AW: Was lest ihr grade ...

Das freut mich, dass mein Buchtipp so gut angekommen ist.

Ich bin schon gespannt wie Euch der Traumfänger gefällt.

Viel Spaß beim Lesen.

Gruß :smilwink:

Silly
 
AW: Was lest ihr grade ...

"Traumfänger" ist natürlich schon länger ausgelesen.

Ich muss sagen, dass mir das Buch sehr gut gefallen hat :fing002:.

Manchmal bewegt sich die Geschichte zwischen Esoterik und Realität und man weiss
nicht immer, wo sie sich gerade befindet. Der Übergang ist fliessend aber immer interessant und spannend.

Die Geschichte zeigt auch, dass der Mensch belastbarer ist, als man meint.
Manche Mahlzeiten hätte ich nicht teilen wollen ;) aber ohne Essen geht es nicht.

Die Aborigines haben eine interessante Geschichte und Lebensweise, die in dem Buch
sehr gut vermittelt werden.
Dass die Reisende später Schwierigkeiten hatte wieder in ein "normales" Leben
zurückzukehren kann man durchaus nachvollziehen.
Das würde jedem nach einem solchen Abenteuer so gehen.

Danke nochmal für den guten Buchtipp!!! :smil_dankä:
 
Good idea! :fing002:

Lesen hat noch nie jemandem geschadet...

Ich fange mal an...

Nachdem ich oben schon "Shōgun" erwähnt habe (jede/r kennt wohl die gut adaptierte TV-Miniserie mit Richard Chamberlain und Toshirō Mifune ((* 1. April 1920 in Qingdao, Republik China; † 24. Dezember 1997 in Tokio, leider)) kann ich nur empfehlen auch den Roman zu lesen (ISBN 3-442-35618-0).

James Clavell, der Autor, gilt als einer der ersten westlichen Autoren, der die Bewohner Asiens so zeigt, wie sie sich selbst sehen, nicht mit westlichen Augen.

Mehr Lesetipps dann später.


LG Jörg :wink:
 
Meine Empfehlung:

Die Stieg Larsson Triologie "Verblendung - Verdammnis - Vergebung" ==> klick

Spannend von der ersten bis zur letzten Seite :fing002:
 
Wer noch Urlaubslektüre sucht sollte sich dieses Buch zulegen.

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Ich habe mich selten mit einem Buch so amüsiert :genau:

==>klick
 
''Die intellektuelle ehe''
v.Hannelore Schlaffer


Die intellektuelle Avantgarde am Anfang des 20. Jahrhunderts stellte die traditionelle Ehe in Frage: Getrennt oder zusammen wohnen, mit oder ohne Kinder, gegenseitige Treue oder offene Beziehung? Davon können auch heutige Paare lernen.

gruss
Amal;-)
 
Claudia, vielen herzlichen Dank für diesen super Tipp. Bekam beim lesen dieses Buches Bauchschmerzen....vor Lachen. Ist einfach super geschrieben.

Heute begann ich '' bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt '' zu lesen. Allen die in den Wechseljahren sind und es irgendwann sein werden, ist dieses Buch sehr zu empfehlen.

http://www.amazon.de/Hitze-wenigste...=sr_1_3?s=books&ie=UTF8&qid=1330196228&sr=1-3

LG Premasiri :wink:
 
Das wunderbarliche Vogelnest von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.
Wer sich für dieses Buch interessiert, sollte Zeit haben, denn es liest sich nicht zwischen Tür und Angel ;)

Letztes Wochenende gab es: Die Päpstin von Donna Woolfolk Cross
Das Buch war derart spannend, dass ich es von Freitag bis Sonntag durchgelesen hatte.
 
Hallo Premasiri,

ich freue mich, dass dir das Buch gefallen hat. sm11:

Hallo Tanja,

die Päpstin fand ich auch super! :fing002:
 
Ich habe gerade eine Gipsschiene an der rechten Hand und schreibe deshalb recht wenig im Forum. Sorry!

Dafür lese ich mehr:

Wer dem Tode geweiht von Elisabeth George ==>klick

Ist was für Krimifreunde! :fing002:
 
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